Kurt Leutgeb, Das Wetter

Buch-CoverNichts ist so einfach und gleichzeitig so kompliziert zu beschreiben wie das Wetter. Oft verändert es sich, während man den Mund zur Beschreibung aufmacht, meist muss es als Thema für ein schnelles Notgespräch herhalten und letztlich verbreitet nichts so subtile Stimmung wie das Wetter.

Kurt Leutgeb nennt seinen Roman straff Das Wetter, aber in Wirklichkeit spielen sich die verrücktesten Geschehnisse ab, von Wetterfront bist Großwetterlage ist so alles aufgeboten, um diesem harmlosen Thema die Schärfe einer kulturkritischen Analyse zu verpassen.

Vordergründig steht Held Ombrophobos im Mittelpunkt des Geschehens, er besitzt einen hervorragenden Büchergarten und hat seine Töchter kulturell auf der Höhe Bibliokepeia und Kannabis genannt. Selbstverständlich unterbricht der Held seine idyllische Lebenslaune immer wieder, um einen Joint zu rauchen.

Dann hielt er wieder nach den Wolken am Nachthimmel Ausschau, und nur an guten Abenden ging er kurz zwischen zwei Joints ins Haus und masturbierte. (7)

Bedroht wird diese kulturell hochstehende Lebensform von Förstern, die in ihren Jagdpanzern herumfahren und auf alles schießen, was sich bewegt.

Überhaupt ist die Welt, die von den diversen Wetterlagen umfasst wird, ein völlig seltsamer Kosmos, es gibt die skurrilsten Völker und Landschaften, und wie einst bei Hesiod tun sich Landstriche auf, von denen offensichtlich noch niemand berichtet hat.

Religiös gesehen spielend die Kännler eine große Rolle, weshalb beispielsweise bei Gerichtsverfahren die Delinquenten auf eine Kanne vereidigt werden.

Das Wetter spielt letztlich eine wichtige Rolle im Zusammenleben der Kulturen, und auch Familienzwistigkeiten werden oft vom Wetter beeinflusset. So lässt etwa jemand ein Flugzeug im Schlechtwettre abstürzen, um die Erbfolge neu zu regeln.

Immerhin gibt es eine ganze Branche, die sich mit dem Herstellen von Wetter beschäftigt, gerade Kleingeräte, die man in der Jackentasche herumtragen kann, sind der letzte Schrei auf der Wettermacherfront.

Gibt es etwas noch wichtigeres als das Wetter? - Eigentlich nicht. Denn ein Vergleich mit dem umgefallenen Fahrrad, das im Journalismus als der Inbegriff einer Nicht-Nachricht gilt, zeigt, dass selbst das umgefallendste Fahrrad gegen das Thema Wetter keine Chance hat.

Eine Revolution der Berichterstattung über das Wetter läutet vielleicht eine neue Epoche ein, dennoch aber muss der Joint-Fan Ombrophobos gegen Ende des Romans offensichtlich doch noch ins Gefängnis.

Kurt Leutgeb hat den Erzähl-Atem großer Kulturen auf die Eselshaut des trivialen Wetters gespannt und siehe, plötzlich fließt eine stürmische Wetterfront durch die Niederungen des Alltags.

Kurt Leutgeb, Das Wetter. Roman.
Klagenfurt: Sisyphus 2008. 232 Seiten. EUR 14,-. ISBN 978-3-901960-45-1.

 

Weiterführender Link:
Sisyphus-Verlag: Kurt Leutgeb, Das Wetter

 

Helmuth Schönauer, 09-02-2009

Bibliographie

AutorIn

Kurt Leutgeb

Buchtitel

Das Wetter

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Sisyphus

Seitenzahl

232

Preis in EUR

14,00

ISBN

978-3-901960-45-1

Kurzbiographie AutorIn

Kurt Leutgeb, geb. 1970 in Oberösterreich, lebt in Wien.