Lukas Meschik, Jetzt die Sirenen

Buch-Cover

Wenn Sirenen losgehen, melden sie vorerst einmal, dass etwas Ungeheures im Gange ist, das Publikum schaut von den Alltagsverrichtungen auf und registriert vor allem eins: Die Sirenen plärren!

Lukas Meschik lässt in seinem Sciencefiction-Archiv-Text gleich die Katastrophe los, ohne sie genau zu beschreiben. Wie in einem negativen Schöpfungsbericht läuft eine Uhr und zählt unbarmherzig nach unten auf die Null zu. Bei sieben Milliarden, vielleicht der Größe der Menschheit, geht das Ausrottungsprogramm los, ehe es tatsächlich Null erreicht und alles, Semantik, Sinn, Sprache und Menschheit vernichtet.

Der Ich-Erzähler ist Archivar und Spontanchronist eines gigantischen Untergangprogramms. Zu Beginn verliert er seinen Vater aus dem Auge und entdeckt bald darauf seinen Leichnam, er war offensichtlich unter den ersten, den die Auslöschung erwischt hat.

Allmählich kommen alle in der Siedlung dran, aber auch die Meldungen, die von außen in die Archivzentrale gelangen, sind alles andere als aufbauend. Während die Katastrophe unbeschreibliche Ausmaße annimmt, versucht der Ich-Erzähler so etwas wie Ruhe zu bewahren und alles ordnungsgemäß zu dokumentieren. Wie lächerlich solche Vorhaben sind, zeigt sich Absatz für Absatz, wenn die Tätigkeiten bei offenem Satzbau dekonstruiert werden.

Ich las wieder einmal ein Buch, es gab sich keine besonders große Mühe, eine Lieblingslektüre zu sein, was ich wiederum recht ansprechend fand, ich mühte mich ab, verlegte es, um es schließlich der Bibliothek zu vermachen, eine Art Vorlass meiner literarischen Rezeption, in der Siedlung löste das Gerücht in Stellung gebrachter Massenvernichtungswaffen Panikattacken und Aufbäumungen des Familiensinns aus. (55)

Der schwindende Arbeitsplatz als freiwillige Imitationsstütze des Alltags (79), Gerüchte als Belastungstest für halbwahre Geschichten (113), Handschuhe als Schutz gegen die Wildnis am Siedlungsrand (114) - selbst die Sprache ist aus den Fugen geraten und der Archivar klebt die semantischen Puzzle zu einem falschen Bild zusammen. Am Schluss bleiben ein paar Ratten im Archiv übrig, die die Schnipsel einer großen Komödie zusammenfressen.

Lukas Meschik erzählt heftig und hingebungsvoll vom totalen Untergang der Welt. Bald einmal ist es egal, woran diese Menschheit eingeht, ob an Sinnmangel oder Massenvernichtungswaffen, es wird sauber aufgeräumt mit der Evolutionstheorie, wonach die Welt ständig besser werden könnte. Andererseits ermöglicht die totale Vernichtung des Lebenssinns Einblick in die Sinngebäude, die sich der Mensch Tag für Tag nutzlos aufbaut. Eine wunderschöne Untergangssymphonie, die letztlich Lust auf eine gute Zukunft erweckt.

Lukas Meschik, Jetzt die Sirenen.
Wien: Luftschacht 2009. 152 Seiten. EUR 16,50. ISBN 978-3-902373-39-7.

 

Weiterführende Links:
Luftschacht-Verlag: Lukas Meschik, Jetzt die Sirenen

 

Helmuth Schönauer, 20-03-2009

Bibliographie

AutorIn

Lukas Meschik

Buchtitel

Jetzt die Sirenen

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Luftschacht

Seitenzahl

152

Preis in EUR

EUR 16,50

ISBN

978-3-902373-39-7

Kurzbiographie AutorIn

Lukas Meschik, geb. 1988 in Wien, lebt in Wien.