Peter Enzinger, Rimbauds Kantine

Buch-CoverVielleicht ist die Poesie das Rauschen zwischen den Begriffen, von denen unerwartete Botschaften ins Zeileninnere ausgesendet werden. Vielleicht ist der Wahnsinn eine Abschweifung der Poesie, wenn Begriffe aus den Zeilen fallen.

Das poetische Ich steht in Peter Enzingers Prosagedicht jedenfalls gehörig unter Phantasie-Strom. Von der Dichtung gezeichnet, knapp am Absinth-Delirium, von der Sinnsuche entstellt kämpft sich das Ich durch die eigene Dichtung.

Einst war ich Dichter und Waffenhändler, so sagt man, heute bin ich ein Kind geworden, das zur grünen Stunde mit Wörtermurmeln spielt. Man sagt, ich habe meinen Verstand verloren. Man sagt, ich habe ein Bein verloren. Mein Name sei Rimbaud. (59)

Zwischendurch tritt dieser Rimbaud aus sich selbst heraus und nimmt eine semi-haptische Figur der Literatur an. Bekannte Schriftsteller grüßen vom Prosarand in die Dichtung hinein, Verlaine nimmt sogar direkten Kontakt auf, während von Georg Heym bloß die langen Wimpern (91) vorüberwinken, während es ins nächste Zechgelage geht.

In den langen Klagen zwischen poetischen Zacken tritt zwischendurch so etwas wie ein Lebenslauf in Kraft, Rimbaud schwirrt beinahe Ort-los durch den Kontinent, geht mit Verlaine nach London und macht sich dann selbständig auf nach Afrika.

Oft um mich zum Affen zu machen, rufe ich mich zum Dichter aus, wenn alle anfangen mich auszulachen, dann gebe ich mich als Giraffe aus, und wenn ich mich dann von Baum zu Baum schwinge, dann sagen alle, dass ich spinne [...] (77)

Der Ton der Dichtung schwankt dabei zwischen Delirium und Singsang. Es wird kein Unterschied gemacht zwischen der ausgerufenen Dichtung, dem literarisierenden Lebensstil und der evozierten Poetik.

Lasst mich erzählen von den Räumen in denen Rimbaud wohnt. Dort strömen die Träume in die Zimmer und die Dämonen. (108)

Nur ganz vage gehen die Gedankenschwärme in konkrete Handlung über, Rimbauds Kantine lässt sich wie Rimbaud selbst nicht beschreiben.

Peter Enzinger stellt mit seinem Prosagedicht einen fulminanten Kosmos von Delirium und Dichtung auf die Beine. Während die Prosa quasi wie eine Kuchenform den Teig zusammenhält, geht dieser als Poesie auf und überwuchert die Form. Für literarische Rätselfans gibt es jede Menge verschlüsselter Nachrichten, für euphorische Leser eine Eruption aus Phantasie und Wahnsinn!

Peter Enzinger, Rimbauds Kantine. Prosagedicht.
Wien: Klever 2009. 110 Seiten. EUR 15,90. ISBN 978-3-902665-08-9.

 

Weiterführender Link:
Klever-Verlag: Peter Enzinger, Rimbauds Kantine

 

Helmuth Schönauer, 02-07-2009

Bibliographie

AutorIn

Peter Enzinger

Buchtitel

Rimbauds Kantine

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Klever

Seitenzahl

110

Preis in EUR

15,90

ISBN

978-3-902665-08-9

Kurzbiographie AutorIn

Peter Enzinger, geb. 1968 in Zell am See, lebt in Wien.

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