Norbert Lantschner, Wie atmet Liebe
Obwohl über die Liebe wahrscheinlich so gut wie alles gesagt ist, ist es doch von Buch zu Buch für den Leser aufregend, wie jemand für die aktuelle Gegenwart dieses Thema angeht.
Norbert Lantschner arbeitet international im vernetzten Bereich und so ist es kein Zufall, dass er seine poetischen Texte im ersten Schritt jeglicher Tagesrealität entrückt und das Überregionale, Zeitlose der Liebe anspricht.
Ein Schlüsseltext ist vielleicht jene Szene aus dem Regenwald (16), worin lange nach seiner Liebe ein Protagonist unter den gigantischen Bäumen scheinbar bodenlos durch die Vegetation schreitet. Vom Überschwang der Umgebung angetan kommt ihm ein weinig die Erinnerung an jenes Glück, das sich üppig mit zarten Worten einst eingeschlichen hat.
Die Liebe und ihr Atem wird in vier Kapitel aufgerufen.
In der Mitte des Glücks (7) handelt von jenem berauschenden Zustand, in dem sich die lyrische Person in einem völlig amorphen Wahrnehmungsstapel befindet. Unerwartet springen einen Assoziationen an und beleuchten jeweils neue Seiten der Geliebten.
Die heimliche Flucht (23) stellt jene Sehnsucht in den Vordergrund, die notwendig ist, um eine Liebschaft über sich ergehen zu lassen. Längst im Kissen vergrabene Wünsche aus vergangenen Tagen drehen sich plötzlich um und werden zu einer neuen Form der Realität. Die Flucht aus der Alltagswelt ist offensichtlich notwendig, um über den Umweg der Geliebten wieder in sie zurück zu finden.
Die Dunkelheit beginnt am Tag (47) erzählt von der Vergänglichkeit, die all diesen Erlebnissen innewohnt. Tatsächlich beginnen sich manche Tage noch ehe sie vollendet sind umzudrehen und in ihr Gegenteil zu verkehren. Und auch der Tod winkt völlig unerwartet in die Szenerie.
Wie viel wiegt eine Schneeflocke (75) ist eine beinahe märchenhafte Frage, die unerwartet in einer Tageszeitung auftaucht. In diesem Kapitel schlägt die Erfahrung jener Menschen durch, die ihre Liebe schon hinter sich haben. Bald wird auch der Held dieser Texte einer dieser Vergänglichen sein.
Norbert Lantschner erzählt unerwartet still mit heftigen Sätzen. Meist sind es sogenannte Prosa-Gedichte, die unverblümt eine aufregende Stimmung evozieren. Zwischendurch gibt es kleine Geschichten, wie sie manchmal im Dorf erzählt werden, wenn jemandem spontan ein Erlebnis aus vergangener Zeit einfällt.
Vielleicht ist die eingerollte Katze in der warmen Abendsonne eine unbemerkte Liebe. (9)
Die hier hervorgezauberte Liebe hat schon einiges erlebt, sie ist selten rasend, und wenn etwas im Augenblick nicht gesagt werden darf, zieht sie sich vornehm zwischen die Zeilen zurück. - Eine edle Art, der gereiften Liebe eine originäre Sprache zu verschaffen!
Norbert Lantschner, Wie atmet Liebe.
Bozen: Edition Raetia 2009. 101 Seiten. EUR 10,-. ISBN 978-88-7283-358-2.
Weiterführende Links:
Edition Raetia: Norbert Lantschner, Wie atmet Liebe