Paula Peh Gelbke, Angschossen

Buch-CoverAm Umschlag fliegt einer Figur hinten vor grünem und vorne vor warn-orangem Untergrund der Kopf davon wie in einem Comics-Film, mag sein, dass nur Vögel davon fliegen, kann aber auch sein, dass die Figur "angeschossen" ist und die Gedanken frei werden.

Bei Paula "Peh" Gelbke geht es um jenen Poetry-Slam, der dabei ist, in der Literaturgeschichte sesshaft zu werden.

Das Wild-Spontane ist sowohl in der Themenfindung vorhanden als auch im Künstlernamen "Peh", der ja wirklich wie ein Schuss klingt. Im Untergrund der Lyrik steckt jedoch diese zarte Ironie, die das lyrische Ich und ihre Widersacher aufeinander losstürmen lässt.

In einem großen Eingangs-Epos geht es um Klischees, wie sie zwischen Mann und Frau auftreten. "Großstadtmär eines Flirts" (6) beginnt voller Leichtigkeit an der Bar, Mann und Frau haben nur Leichtes im Sinn und lassen sich aufeinander zutreiben, aber die Erfahrung lehrt, dass es sich bloß um ein Ritual für eine Lebens-Schablone handelt. Wie in einem bösen Märchen wird aus der Liebe Alltag werden, das Überleben wird die Liebe fressen und am Schluss nach einigen Jahren, werden beide fünfzig sein und auf retro-knackig machen, damit der neue Aufriss geschehen kann.

"ich will die stelle in dir finden / an der ich sicher bin / vor mir" (20) heißt eine gute Zusammenfassung dieser Spielerei, die nur auf den ersten Blick wie angeschossen wirkt. Angeschossen kann ja im leichten Sinn bedeuten, dass jemand auf einen anderen abfährt, so wie man oft "verschossen" den Erstzustand einer Liebelei empfindet. Aber bald wird daraus das echte angeschossen, das voller Verwundung ist und nicht selten Gefühls-letal endet.

"Manchmal ist man besser dran allein. "(50) So heißt ein anderes Resummee des lyrischen Ichs. Mit der Formulierung von Binsenweisheiten, die oft einen dramatisch euphorischen Text abschließen, beendet Paula Peh Gelbke perfekt jenen Zustand, worin sich das Publikum so eben kitschig positiv einzunisten begonnen hat.

Die Texte, welche mündlich vorgetragenen voller Rasanz und Irrsinn wirken, erhalten durch die gedruckte Form eine selten schlaue Reife. Manche Gedichte wirken wie aus einer Anthologie voller Klassik, freilich jeweils wunderbar aufgebrochen durch einen prägnanten Schlussakkord. Als Leser lässt man sich gerne treiben, nickt zustimmend und erfreut sich an den Sollbruchstellen des Textes, an denen man angeschossen wird.

Jemand hat einmal behauptet, Hölderlin sei nicht nur wahnsinnig sondern auch ein Slam-Poet gewesen. Diese These könnte durchaus stimmen, wenn man die Texte angeschossen liest.

Paula Peh Gelbke, Angeschossen. Slam & Poesie.
Innsbruck: Kyrene 2009. 72 Seiten. EUR 12,90. ISBN 978-3-900009-58-8.

 

Weiterführende Links:
Kyrene-Verlag: Bücher
Homepage: Paula Gelbke

 

Helmuth Schönauer, 17-10-2009

Bibliographie

AutorIn

Paula Peh Gelbke

Buchtitel

Angschossen

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Kyrene

Seitenzahl

72

Preis in EUR

12,90

ISBN

978-3-900009-58-8

Kurzbiographie AutorIn

Paula Peh Gelbke, geb. 1979 in Berlin, lebt in Berlin.