Fabio Pusterla, Zur Verteidigung der Schule

Buch-CoverAuch wenn der Alltag manchmal in seiner flachen Erscheinung das Hirn gerne in einem Flachbett ruhen lässt, gibt es erstaunlicherweise gerade im Schulsystem immer wieder Pädagoginnen und Pädagogen, die beim Betreten des Unterrichtsgebäudes die allgemeine Narkose beenden und sich Gedanken machen.

Ein solcher Gedankenjäger ist Fabio Pusterla, der sich in einer Figur als sinnierender Lehrer in kleinen Erzählungen Luft macht und dabei zu einer "Verteidigung der Schule" ansetzt. In 37 Geschichten brütet der Lehrer freie Gedanken über so genannte Selbstverständlichkeiten aus.

Das beginnt schon mit der Überlegung, warum man die Schule eigentlich verteidigen muss. Jeder Beitrag über die Schule ist ja heutzutage eine Anklageschrift oder eine Jammerei, den einen ist sie zu schlaff, den anderen zu streng, und wenn die Schule halbwegs hinhaut, hauen die Lehrer ab. Diesen Trends setzt der Lehrer eine Gegenüberlegung entgegen, indem er zum Beispiel einen Satz von Oscar Wilde als Schularbeitsthema gibt.

Die Schule müsste der schönste Ort in jeder Stadt und in jedem Dorf sein, so schön, dass die Strafe für undisziplinierte Kinder darin bestünde, am nächsten Tag nicht in die Schule gehen zu dürfen. (13)

Freilich hat in der Erzählung der Lehrer die Rechnung ohne die Wirklichkeit gemacht, denn als dieses Thema gestellt wird, wählt es kein einziger Schüler.

In diesem Wechselspiel zwischen hohem Anspruch und tiefster Realität, zwischen erbaulichen Sätzen und einer profanen Umsetzung ziehen die Erzählungen durch den Schulalltag, der geprägt ist von Ausdauer, Geduld und Optimismus. So schlimm kann ein Tagesproblem gar nicht sein, dass es nicht bis Mittag gelöst wäre. Voraussetzung ist freilich, dass der Lehrer gerne in die Schule geht und mit seinem Elan die Schüler ansteckt, jeden Tag aufs Neue.

Gewalt in der Schule, politische Scheingefechte, Bildungsverweigerung sind Themen, die vielleicht mit Geduld und Augenzwinkern angegangen werden müssten statt mit purer Handlungsstrategie. Und am Beispiel des Lesens zeigt der nachdenkliche Lehrer, was er mit dieser Geduld meint.

Also: wie kann man die Jugendlichen dazu bringen zu lesen? Ich habe keine Antwort, aber ich denke, man muss damit anfangen, die Wahrheit zu sagen. Und die Wahrheit ist, dass die Welt, in der wir leben, die Jugendlichen des Vergnügens zu lesen beraubt: eines der intensivsten und tiefsten Vergnügen, das der Mensch erfinden konnte.

Lesen ist heute fast etwas Rebellisches. Auch deswegen ist es ein Abenteuer und von großer Dringlichkeit. Und wenn man, wie mir die Schüler oft sagen, "nicht genug Zeit hat zum Lesen"? Ich erwidere ernsthaft: Paukt weniger und lest mehr. (27)

So hat also dieser erzählende Lehrer trotz seiner geduldigen Züge durchaus etwas Rebellisches an sich.

Fabio Pusterla, Zur Verteidigung der Schule. 37 kurze Geschichten eines Lehrers. A. d. Ital. von Barbara Sauser.
Zürich: Limmat 2010. 125 Seiten. EUR 19,50. ISBN 978-3-85791-595-6.

 

Weiterführende Links:
Limmat-Verlag: Fabio Pusterla, Zur Verteidigung der Schule

 

Helmuth Schönauer, 23-03-2010

Bibliographie

AutorIn

Fabio Pusterla

Buchtitel

Zur Verteidigung der Schule. 37 kurze Geschichten eines Lehrers

Originaltitel

Una goccia di splendore. Riflessioni sulla scuola, nonostante tutto

Erscheinungsort

Zürich

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Limmat

Übersetzung

Barbara Sauser

Seitenzahl

125

Preis in EUR

19,50

ISBN

978-3-85791-595-6

Kurzbiographie AutorIn

Fabio Pusterla, geb. 1957 in Mendrisio, unterrichtet in Lugano.