Vera Vieider, Am Hafen

Buch-CoverAls die schönen Tage gelten oft die unauffälligen, als die schönen Wanderungen die gemäßigten, als die schönen Gedichte vielleicht die unspektakulären.

Vera Vieider stellt in ihren gut achtzig Gedichten eine Welt vor, die an und fürs sich recht gewöhnlich aber zwischendurch mit lyrischen Spitzen besetzt ist. Wenn man die Gedichte in einem langen Atemzug liest, verwandelt sich das Unauffällige in eine satte Erinnerungslandschaft, aus der dann seltene Begriffe aufschimmern.

Leck auf / Unter tauben Schichten / das Glück nicht mehr / leck auf vom Tellerrand bis zur Tür // Aus Augen bricht Sonne / so klar (24)

Hier geht ein Befehl aus der Kindheit in eine Maßnahme über, mit der sich Glücksadern aus taubem Gestein herausschlagen lassen, wie ja oft Gedichte helle Momente aus einem grauen Mahlstrom an Wörtern herausfiltern.

Immer wieder setzen die Gedichte in einer abseitigen Wahrnehmungsfläche an, verharren dann wie vor einem stillgelegten Maulwurfloch und fassen dabei periphere Ereignisse ins Auge, die plötzlich im Mittelpunkt des Interesses stehen.

Oft ist es eine einzige Fügung, die einen ganzen Gedichtband unvergessen machen kann. §Heute will ich die Sonne / tiefer in die Schenkel reiben "(16) in solchen Zeilen ist alles angesprochen vom Fitness-Bezug, über die sommerliche Tätigkeit, sich einen Sonnenschutz zu verpassen, bis hin zur selbstinszenierten Erotik.

Miniaturen aus Maserungen von Wellen gliedern die Gedichte in vier Blöcke, die manchmal um Begriffe wie Heimkommen, ausgegrenzte Orte, Hafen, Nacht oder Schnee aufgebockt sind. Und immer wieder ist es die unerwartete Stille, die ansatzlos einsetzt, der Blick, der plötzlich in sich selbst getaucht ist.

Lyrik sollte man nicht kritisieren, weil es zu ihrer Haupteigenschaft gehört, dass sie einfach unverbesserlich in dieser Form geplant ist. Aber ärgerlich sind natürlich die häufigen "nd-Fügungen" (Verbaladjektiva), die zwar ein lyrisches Gehabe verströmen aber letztlich nur Stimmung machen wie die Instrumentenstimmung vor dem Stück.

Und das obligate Herbstgedicht darf leider auch nicht fehlen. Vielleicht sollte man wirklich einmal streng sein und behaupten, gute Lyrik erkennt man daran, dass kein Herbstgedicht darin vorkommt.

"In die Blätter / ist Herbst / gekrochen" (74), das macht der Herbst jedes Jahr und bei jedem zweiten Gedichtband.

Vera Vieiders Gedichte "Am Hafen" sind eine durchaus sympathische Sammlung von noch nicht ausgewachsenen Gedichten, vieles ist frisch und ungebrochen wie ein Rasen, der frisch eingesät noch nicht betreten werden darf.

Vera Vieider, Am Hafen. Gedichte.
Innsbruck: Edition Laurin 2010. 84 Seiten. EUR 14,90. ISBN 978-3-902719-75-1.

 

Helmuth Schönauer, 28-10-2010

Bibliographie

AutorIn

Vera Vieider

Buchtitel

Am Hafen

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Edition Laurin

Seitenzahl

84

Preis in EUR

14,90

ISBN

978-3-902719-75-1

Kurzbiographie AutorIn

Vera Vieider, geb. 1988 in Meran, studiert in Innsbruck Pharmazie.

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