Norbert Loacker, Leben Lesen Träumen

Buch-CoverVielleicht liegt es am Thema, das ja völlig nach innen gerichtet ist, dass Norbert Loackers Buch sich so gegen Leser wehrt. Alle diese drei Zustands-Tätigkeiten ?leben, lesen, träumen haben wahrscheinlich als gemeinsames Geheimnis, dass sich davon nichts erzählen lässt.

Der Autor fädelt nun einige Gedankengänge auf, wie man sie manchmal bei einem philosophischen Plausch aus sich heraus lässt oder als Redner, wenn es mit philosophischem Gestus zu erzählen gilt, dass das Lesen etwas Besonderes ist.

Zum Beispiel diese schöne Es-gibt-Formel, wonach die reifen Leser bloß nicken müssen, um einen Kosmos zu erfahren, den sie gelesen haben.

Also es gibt, so lange es einen Leser gibt, das babylonische Uruk des Königs Gilgamesch, das Theben des sophokleischen Ödipus, [...] Peter Altenbergs Wien, Döblins Berlin, das New York des Dos Passos, Henry Millers Big Sur, das Alexandria des Konstantinos Kavafis, das Dublin des James Joyce, das Oran des Albert Camus. (58)

Ja das gibt es alles, und wenn man es gelesen hat, kann man dazu nicken, und wenn man wissen will, wie so ein Ort ausschaut, muss man eben das Buch lesen, so einfach ist das. Worin besteht eigentlich der Informationsgehalt eines Satzes wie:

Manche Bücher beschäftigen oder faszinieren uns, manche gewinnen sogar unsere dauernde Liebe. (64)

Allmählich versucht man als Leser herauszukriegen, worum es beim Loacker-Essay nicht geht. Es geht nicht ums Informationslesen, es geht um keine Theorie, es geht um keine Lese-Mitschrift, es geht um keine politische Haltung, es geht um nichts Kollektives, es geht um nichts Öffentliches.

Vielleicht ist das Ganze eine Meditation, die ja für einen Außenstehenden, der nicht gerade in der Meditationsschüssel sitzt, absolut nichts bringt, außer dass der Meditierende als ruhig gestellt wahrgenommen wird.

Vielleicht handelt es sich aber beim Essay bloß um eine große Ansprache, die nichts bewirken soll, außer dass Ehrfurcht entsteht vor einem großen Thema. Untergliedert ist die Meditation nämlich in Sequenzen wie Alltagsneuigkeit, Stoff, Fantasie und dem pädagogischen Befehl: Nimm und lies!

Was bleibt von diesem Buch hängen? Vielleicht die Stelle, wonach Max Frisch beim Lesen seiner Fahnen an der eigenen Fahne durch Zufuhr von Cinzano gearbeitet hat. Oder dass sich Doris Lessing wundert, wie man als angehender Wissenschaftler zwei Jahre lang an der Hausarbeit über ein einziges Buch verblöden kann. Aber vielleicht soll gar nichts hängen bleiben, vielleicht wollte uns Norbert Loacker nur öffentlich mitteilen, dass er sehr privat und persönlich liest.

Norbert Loacker, Leben Lesen Träumen. Vom Erzählen. Essay.
Hohenems: Limbus 2010. 107 Seiten. EUR 14,90. ISBN 978-3-902534-41-5.

 

Helmuth Schönauer, 03-01-2011

Bibliographie

AutorIn

Norbert Loacker

Buchtitel

Leben Lesen Träumen

Erscheinungsort

Hohenems

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Limbus

Seitenzahl

107

Preis in EUR

14,90

ISBN

978-3-902534-41-5

Kurzbiographie AutorIn

Norbert Loacker, geb. 1939 in Altach, lebt in Kaltenbach / Schweiz.

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