Stefanie Holzer, Franz Ferdinand

Buch-CoverManchmal kann man eine Geschichte nur verstehen, wenn man sie als Komplementärmenge zur nicht erzählten Geschichte liest.

In Zeiten von Diktatur, bei biographischer Ermüdung oder einem verschämten Paradigmenwandel greifen Autoren und Autorinnen gerne zu einer sogenannten blöden Story, um letztlich etwas wie einen großen Stinkefinger zu erzählen.

Stefanie Holzer, lange Zeit hellwache Beobachterin des jeweiligen Zeitgeistes und Mitherausgeberin der Zeitschrift Gegenwart, hat alle Reißleinen zur politischen Außenwelt gezogen und einen Roman vom Kater Ferdinand verfasst.

Wie der gestiefelte Kater aus der Romantik kann auch Franz Ferdinand alles, was Menschen können, nur braucht er keine Moral und kein politisches Bewusstsein zu haben. So ist dieser Kater eine ideale Figur, um das Dahinplätschern saturierter Fünfzigjähriger zu beschreiben, deren einzig aufregende Fragestellung im Laufe einer Woche darin besteht, wie lange man am Land und wie kurz man in der Stadt verweilt.

Denn Franz Ferdinand kommt zu einer politisch tierisch unmotivierten Klischeefamilie, Mann und Frau sind in der Textbranche tätig, Besuche sind jeweils Katzenfans, die Gespräche handeln vom jeweiligen Wohnsitz und dem passenden Auslauf für die Kinder.

Im Grunde ist für mich ein Tag wie der andere - wenn da nicht diese Tage wären, an denen meine beiden Quartiergeber schon am Vormittag hektisch hin- und herlaufen. Das ist nicht typisch für sie. Sie sind schließlich Schriftsteller von Beruf, da gibt es keinen Grund, in aller Herrgottsfrühe aus dem Haus zu rennen. (101)

In dieses intellektuell-öde Leben bringt der Kater Ordnung, indem er seine Aufzeichnungen und Erlebnisberichte mit klassisch formulierten Headlines überschreibt.

Ein Dach über dem Kopf, Reisezwang, Mein Intimfeind, Globalisierte Katzenwelt sind einige Stationen aus dem Katzenleben, in dem jeden Tag etwas los ist. Selbst wenn man nichts denkt und sich nur auf Instinkte verlässt, wird man mit der Zeit von Lebenserfahrung eingeschlossen.

So überleben Katzen selbst Stürze aus großen Höhen. Problematisch ist es, wenn sie mit voller Blase stürzen. Bei der Landung könnte so eine pralle Blase zerbrechen. Ich war - noch ein Glück - vorher auf der Toilette gewesen. (167)

Eine Katze hat naturgemäß kein Problem mit dem Tod, erstens kommt er ja zu Katzen sehr selten, weil sie viele Katzenleben haben, zum anderen wird die Katze einfach bei Tod ausgetauscht und das Leben geht weiter. So packt auch am Schluss Franz Ferdinand seine Siebensachen, bringt die Aufzeichnungen in eine ansprechende Form und stirbt.

Franz Ferdinand reißt vermutlich alle Katzenliebhaber ebenso vom Hocker wie alle aufgeweckten Leser, die endlich einmal einen Roman als politische Komplementärmenge lesen können.

Stefanie Holzer, Franz Ferdinand. Ein Katzenleben. Roman. Illustriert von Maria Peters.
Hohenems: Limbus 2010. 184 Seiten. EUR 18,90. ISBN 978-3-902534-42-2.

 

Helmuth Schönauer, 11-01-2011

Bibliographie

AutorIn

Stefanie Holzer

Buchtitel

Franz Ferdinand

Erscheinungsort

Hohenems

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Limbus

Seitenzahl

184

Preis in EUR

18,90

ISBN

978-3-902534-42-2

Kurzbiographie AutorIn

Stefanie Holzer, geb. 1961 in Ostermiething, lebt in Innsbruck.

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