Peter Clar, Alles was der Fall ist

Buch-Cover

Die besten Krimis sind jene, die erzählen, dass sie eigentlich kein Krimi sind. So hat etwa der frühe Peter Handke mit seinem "Hausierer" das ganze Genre aufgerollt bis hin zu der schönen Erkenntnis: Die Kinder spielen schon den Mord.

Peter Clar geht von diesem magischen Wittgenstein-Satz aus, wonach die Welt alles ist, was der Fall ist. Und wenn dann noch jemand vom Kirchtrum eines Kärntner Dorfes herunterfällt wie in Josef Winklers Romanen, dann ergibt sich fast automatisch ein Kriminalroman oder zumindest ein Beobachtungsdrama.

Peter Clar setzt zwei Figuren X und Y in Betrieb, die einander beobachten, verfolgen und alle Gedankengänge dechiffrieren, bis die Lösung gefunden ist: X = Y. Dazwischen turnt noch eine Figur F herum, die aber manchmal auch schwächelt.

Habe ich F in den Urlaub geschrieben oder ist er krank? (108)

Das Aufregende besteht nun darin, dass sich diese namenlosen Figuren benehmen, als ob sie in einem Alltags-Thriller herumirren müssten. Alles ist logisch, bemerkenswert und trivial in einem Satz.

Wird eine Geschichte erzählt, muss diese nicht nur einen Inhalt haben sondern einen besonderen Inhalt. Würde ja sonst nicht erzählt, weil sonst nicht zugehört. Interessiert ja keinen, ob einer 24 Stunden durch eine Stadt spaziert und es passiert nichts. (61)

Kapitel für Kapitel wird zuerst der Fall von einer neuen Warte aus dokumentiert und anschließend kriminaltechnisch bewertet. Manche Ereignisse bestehen nur aus einer Eintragung in einem Notizblock eines Detektivs und zerfallen, sobald sie diesen Notizblock verlassen, ins Nichts. - Ein Hinweis, wie Literatur funktioniert.

Wie überhaupt in einer messerscharfen Sprachanalyse alle Floskeln, Handlungsträger und Ideen zerlegt werden, beispielsweise kommt das Es zu Wort, das in der Luft liegt. Und in jedem Absatz wimmelt es zudem von Anspielungen, ganze Romane kommen in einer kurzen Fügung zum Anklingen und der Zeitgeist wird an manchen Stellen haptisch greifbar.

Als Leser wird man von diesem Text ständig bei der Hand genommen und aufs Glatteis geführt. Schau her lieber Leser, scheint der Text zu sagen, so funktioniert das im Kriminal-Genre, und du fällst immer wieder darauf hinein. Peter Clar hat vielleicht einen Enthüllungsroman geschrieben, der seine freiwilligen Leser magisch in seinen Strudel hinein zieht. Denn obwohl der Text in harmlosen Sätzen auftritt, macht er alles zu einem Fall, der letztlich nicht aufgeklärt werden kann. Und ehe man es sich versieht, ist man als Leser ein Detektiv auf Weltniveau!

Peter Clar, Alles was der Fall ist
Wien: Sonderzahl 2011, 143 Seiten, 16,00 €, ISBN 978-3-85449-349-5

 

Helmuth Schönauer, 29-03-2011

Bibliographie

AutorIn

Peter Clar

Buchtitel

Alles was der Fall ist

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Sonderzahl

Seitenzahl

143

Preis in EUR

16,00

ISBN

978-3-85449-349-5

Kurzbiographie AutorIn

Peter Clar, Alles was der Fall ist.

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