Wolfgang Hermann, Schatten auf dem Weg durch den Bernsteinwald

Das lyrische Programm eines Autors zeigt sich selbstverständlich in seinen Gedichten, andererseits in poetischen Formeln, die wie Spruchbänder den Gedichtsammlungen überschrieben sind. „Er wollte Gedankenmaschinen bauen, die von solcher Eleganz und Vollkommenheit, im Übrigen ohne jeden praktischen Zweck waren, dass es auch unnötig war, sie zu materialisieren.“ (5)

Nach diesem Konzept entwickelt Wolfgang Hermann seine Gedichte, die oft nur der Bauplan eines Gedichtes sind, das vielleicht der Leser materialisieren muss, indem er es ausspricht oder seine Gedanken als geschmeidige Verstärkung eines Konstruktes hinzufügt.

Selbst das gesamte Gedicht-Gebäude in Form des Lyrikbandes entspricht bei Wolfgang Hermann einem Bauplan, der freilich an die Natur, den Ablauf der Jahreszeiten und deren Hauptfarben und Gerüche angelehnt ist.
Die einzelnen Sequenzen gleiten in einander über, sodass die Kapitelüberschrift diskret am linken oberen Seitenrand eingeblendet, nicht aber als abgeschlossenes Segment ausgeführt ist.

Winterliche Stadt / Sommernebel / Ockergelbe Tage / Nadelöhre / Noch geborgen im Hinterland / Dieser Himmel unter dem kein Schutz ist / Der Name an der Tür der Leere / An der Lichtgrenze / Sie sagen ich soll kein Kreisel sein.

Die Sequenzen untereinander gestellt ergeben ein Werkverzeichnis der Meta-Ebene, so etwa könnte das lyrische Ich gearbeitet haben in der letzten Zeit, andererseits sind diese Fügungen Richtungsangaben, wie das lyrische Ich durch die Zeitlosigkeit der Natur schlüpft und dabei die Biographie eines Kindes annimmt, das sich am Schluss in den Drehbewegungen eines Spielkreisels selbst versenkt und auflöst.

Auch die Schatten auf dem Weg durch den Bernsteinwald / bestehen aus gleißendem Licht / so leicht / dass unterwegs zur großen Passage / das Blinken der Blätter /wie aus umgekehrtem Atem kommt. (38)

In dieser Vermessung des Sommernebels ist die Titelgebende Fügung vom Bernsteinwald verwoben, der als Metapher für geharzte Zeitlosigkeit jenseits von Licht und Schatten ein körperloses Ich begleitet.

Eingestimmt in die Poesie von Natur, Vegetation und Witterung, tauchen immer wieder seltsam spitze Fügungen auf, die Erschrecken auslösen und jäh ein Unglück andeuten, das sich nur schwer verkapseln und unschädlich machen lässt.

Die Ledermütze meines toten Sohnes / in meiner Hand / die in diesem Augenblick / dem Ende der Erde entgegenbrennt. (61)

Manchmal steigt das lyrische Ich in eine Körperform und nimmt die Rolle eines Nachtarbeiters an, dessen Bleistift durch die Nacht kratzt, oder das Ich zergeht in Sehnsucht und unsichtbaren Straßen.

Ich bewohne eine Stadt mit unsichtbaren Straßen. / Ich ernähre mich vom Weiß der Wange einer unerreichbaren Frau. / Jemand schickt mir Grüße vom anderen Ende der Stadt, / ich treibe auf dem Meer der Nicht-Gefühle. / Ich möchte den Namen meiner unsichtbaren Stadt erfahren. (79)

Wolfgang Hermann, Schatten auf dem Weg durch den Bernsteinwald. Gedichte.
Innsbruck: Limbus 2013. 119 Seiten. EUR 10,-. ISBN 978-3-902534-93-4.

 

Weiterführende Links:
Limbus Verlag: Wolfgang Hermann, Schatten auf dem Weg durch den Bernsteinwald
Wikipedia: Wolfgang Hermann

 

Helmuth Schönauer, 30-01-2014

Bibliographie

AutorIn

Wolfgang Hermann

Buchtitel

Schatten auf dem Weg durch den Bernsteinwald. Gedichte

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Limbus Verlag

Seitenzahl

119

Preis in EUR

10,00

ISBN

978-3-902534-93-4

Kurzbiographie AutorIn

Wolfgang Hermann, geb. 1961 in Bregenz, lebt in Dornbirn und Wien.

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