Lesen in Tirol - Öffentliche Bibliotheken: Die Stadtbücherei Innsbruck, Teil 2

Im zweiten Teil des Interviews spricht Kathrin Mader, die Leiterin der Stadtbücherei Innsbruck, darüber, wie sich die Besucherinnen und Besucher der Bücherei zusammen setzen und welche Möglichkeiten und Angebote die Stadtbücher zu bieten hat. Ebenso hebt sie die Bedeutung von Veranstaltungen für eine Bücherei hervor und kündigt einen Veranstaltungs- und Bücherei-Schwerpunkt 2005 für den Kinder- und Jugendbereich an.

 

 

*  *  *  *  *

 

Lesen in Tirol führte mit Kathrin Mader, der Leiterin der Stadtbücherei Innsbruck, ein ausführliches Interview.

 

Die Stadtbücherei Innsbruck, Teil 2

 

Lesen in Tirol: Wie setzen sich die Besucher der Stadtbücherei zusammen? Gibt es auch hier das bekannte Bild: Viele Frauen und Kinder, aber wenige Männer und Jugendliche?

Kathrin Mader: Das ist bei uns nicht der Fall. Aber ich glaube, dass die Zusammensetzung der Besucher in städtischen Bibliotheken generell anders ist als in den Gemeinden auf dem Land. Das hat damit zu tun, dass viele Leute in den Städten arbeiten und in der Mittagspause schnell in die Bibliothek kommen. Von unseren Bibliotheksbesuchern sind derzeit ca. 40% Männer, die sich Zeitschriften, DVDs oder Bücher ausleihen oder ins Internet gehen. Wir haben einfach durch unsere langen Öffnungszeiten und die städtische Lage eine andere Struktur als z.B. eine Bücherei in einer Landgemeinde und daher kennen wir das Problem von fehlenden männlichen Besuchern nicht.

Aber auch bei uns dominieren, wie in fast allen kulturellen Bereichen, die Frauen. Wenn wir z.B. eine Lesung, einen Vortrag oder ein Konzert durchführen, besteht das Publikum fast immer zu 4/5 aus Frauen.

Lesen in Tirol: Spielen für den Besuch in der Stadtbücherei auch finanzielle Kriterien eine Rolle z.B. dass sich viele neue Medien einfach nicht mehr leisten können?

Kathrin Mader: Das glaube ich schon. Es kommen z.B. sehr viele Leute mit Kindern, weil Bilderbücher immer noch extrem teuer sind. Das gleiche gilt aber auch für die sogenannten Neuen Medien. Hörbücher z.B. boomen fast nur in den Bibliotheken. Was aber auch verständlich ist. Ich würde mir auch kein Hörbuch kaufen, das ich mir höchstens zweimal anhöre und dann verstaubt es zu Hause. So ein Hörbuch kostet aber vielleicht mehr als 15 Euro. Oder die Bücherei bietet mir z.B. auch die Möglichkeit, einen Sprachkurs zu testen, bevor ich ihn mir selbst kaufe. Es gibt Leute die müssen sich ein Buch selbst kaufen. Ich z.B. schaue mir ein Buch gerne zuerst an und kaufe es erst dann, wenn ich es unbedingt haben möchte. Aber es gibt auf jeden Fall auch eine Klientel die sagt: das Buch könnte ich mir nie leisten.

hspace=0
Es ist nicht nur wichtig, dass Tische und Möbel angenehm sind, sondern auch dass die Leute das Gefühl haben: hier bin ich willkommen. Foto: Markt-Huter

 

Wenn in einer Familie mit vielleicht zwei Kindern, wo alle lesen, alle Bücher gekauft werden müssten, ist die finanzielle Belastung ja nicht gerade klein. Insofern ist eine Bibliothek einfach auch eine soziale Institution. Wir können ein großes Angebot für alle anbieten. Deshalb ist auch unser Internetangebot sehr wichtig. In ein paar Jahren wird dieses Angebot vielleicht nicht mehr aktuell sein, weil jeder selbst den Zugang ins Internet zu Hause hat. Aber mittlerweile besuchen noch sehr, sehr viele von unserer Bücherei aus das Internet. Für viele, vor allem Jugendliche, ist der Besuch im Internet gemeinsam mit Freunden einfach unterhaltsamer als allein zu Hause. Wenn etwas nicht funktioniert kann gleich gefragt werden. Auch dies ist Teil einer angenehmen Atmosphäre, wo sich Besucher wohl fühlen können. Es ist nicht nur wichtig, dass Tische und Möbel angenehm sind, sondern auch dass die Leute das Gefühl haben: hier bin ich willkommen.

Lesen in Tirol: Wie entwickelt sich die Zahl der Besucher der Stadtbücherei?

Kathrin Mader: Derzeit entspricht die Zahl der Leser in der Stadtbücherei ca. 9% der Innsbrucker Bevölkerung, wobei natürlich sehr viele davon nicht aus Innsbruck sind sondern aus der Umgebung oder nur hier arbeiten. Es gibt in Innsbruck ja nicht nur die Stadtbücherei sondern auch zahlreiche andere Bibliotheken wie die Unibibliothek, die Arbeiterkammerbibliothek und viele, kleine Bibliotheken und Pfarrbüchereien.
Von der Anzahl der Besucher her sind wir sehr glücklich und es werden immer noch jedes Jahr mehr. Das freut uns natürlich sehr, weil es auch Bibliotheken gibt, wo die Besucherzahlen stagnieren.

Lesen in Tirol: Welchen Stellenwert haben Veranstaltungen in der Stadtbücherei?

Kathrin Mader: Wir führen derzeit ca. 50 Veranstaltungen im Jahr durch. Ganz am Anfang haben wir noch mehr Veranstaltungen organisiert, was wir aber reduzieren mussten. Der Grund war nicht, dass keine Besucher gekommen wären, sondern weil die zusätzliche Belastung der Mitarbeiter, neben dem normalen Büchereibetrieb, einfach nicht mehr zumutbar war. Es war daher wichtig ein Maß zu finden, bei dem die Mitarbeiter sich noch wohl fühlen können und sie stolz sind, an diesen Veranstaltungen mitzuarbeiten.

Diese ca. 50 Veranstaltungen setzen sich zur einen Hälfte aus Kinder- und Jugendveranstaltungen und zur anderen Hälfte aus Lesungen, Buchpräsentationen, Vorträgen und Internetkursen zusammen. Wir bemühen uns, das Angebot ständig zu erweitern; so haben wir heuer z.B. einen Tango-Abend veranstaltet.
Generell sind Veranstaltungen auch eine Form der Öffentlichkeitsarbeit, um Büchereien in Zeitungen aufscheinen zu lassen. Es werden dabei Leute auf die Bücherei aufmerksam, die noch nie in einer Bücherei waren, also eine Gruppe, die man generell bewusst anzusprechen versucht.

Lesen in Tirol: Was ist für die nächste Zukunft geplant?

Kathrin Mader: 2005 liegt der Schwerpunkt auf Veranstaltungen im Kinder- und Jugendbereich. Dies aus mehren Gründen: einerseits haben wir mit Genoveva Kahr-Graf die Beratungsstelle für Lesepädagogik direkt im Haus und können daher ihr Know-how ideal nützen. Dazu passt, dass die Stadt Innsbruck ihrerseits 2005 einen Schwerpunkt in Richtung Familienförderung setzt. Und schließlich wird der Veranstaltungsschwerpunkt im Kinder- und Jugendbereich durch die Pisa-Studie noch um ein weiteres untermauert.

hspace=0
Dem Kinder- und Jugendbereich wird 2005 besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Foto: Markt-Huter

 

Den Auftakt zu den Veranstaltungen macht im Februar eine Lesenacht im Rahmen des Ferienzugs, dann gibt es einen Vortragsabend zur Frage: Wie kann ich bei meinem Kind die Leselust wecken, wenn sie nicht vorhanden ist? Gerade darunter leiden viele Eltern und Lehrer ganz besonders. Dazu haben wir die Leiterin des Kinder- und Jugendliteraturhauses in Wien eingeladen. Danach führen vier Kinder- und Jugendbuchautoren Workshops mit Schülerinnen und Schülern durch. Im Herbst ist ein Michael Ende Schwerpunkt? geplant, anlässlich seines 10. Todestages. Im Zuge des Kinder- und Jugend-Schwerpunktes wollen wir im neuen Jahr aber auch die Kinder- und Jugendbücherei reorganisieren und den Bestand ein wenig anders gewichten.

Lesen in Tirol: Was ist für den Bereich der Kinder- und Jugendbibliothek geplant?

Kathrin Mader: Der Bestand in der Kinder- und Jugendbücherei, der ca. 1/3 der Gesamtbestandes ausmacht, wird in den nächsten zwei, drei Jahren sukzessive erneuert werden. Es gibt verschiedene Schwerpunkte im Bereich der Kinder- und Jugendbüchereien. Wir haben dazu ein wenig nach Deutschland geschaut, wo es z.B. Projekte gibt, wo die Büchereien ganz offen für Kinder und Jugendliche, ja richtige Jugend-Treffpunkte sind. Das geht sogar so weit, dass sich die Jugendlichen die Bücher selbst bestellen können. Das können wir nicht erfüllen, weil wir ja alle Altersgruppen bedienen und niemanden vertreiben wollen.

Daher ist es für uns wichtig mit Veranstaltungen für Schulklassen Schwerpunkte zu setzen wie z.B. Führungen oder Bücherei-Rallyes. Wir wollen, dass die Jugendlichen zu uns kommen und wissen: das ist eine Bibliothek, wo ich mich entspannen, wohlfühlen und gemütlich ein Buch oder Comic lesen kann. Aber eine totale Ausrichtung auf eine Kinder- und Jugendbibliothek können wir selbstverständlich nicht vornehmen.

Lesen in Tirol: Gibt es in diesem Bereich eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Schulen?

Kathrin Mader: Wir wollen zukünftig den Kinder- und Jugendbuchbereich verstärkt als Informations-Bücherei präsentieren. Es gibt gerade im Sachbuchbereich ein großes Angebot an Materialien. Es soll künftig mehr mit den Schulen zusammen gearbeitet werden, indem wir z.B. Medien aus unserem Bestand anbieten, die sich Schulbibliotheken nicht leisten können. Es gibt da sehr viele Schulen in der näheren Umgebung, mit denen sich die Stadtbücherei abstimmen könnte.

Die Zusammenarbeit mit den Schulen steht jetzt gerade am Anfang. Die Idee war einfach folgende: Wenn wir die Kinder- und Jugendbibliothek verstärkt als Info-Bibliothek ausbauen wollen, müssen wir mit den Schulen der näheren Umgebung in Kontakt treten. Wir müssen mit den Schulbibliothekaren z.B. klären, welche Medien sie haben, die wir nicht haben oder umgekehrt. Mit den Deutschprofessoren könnte abgestimmt werden, dass wir Bücher und Medien, die sie für den Unterricht brauchen, auf alle Falle im Bestand sind.

hspace=0
Es soll künftig mehr mit den Schulen zusammen gearbeitet werden, indem wir z.B. Medien aus unserem Bestand anbieten, die sich Schulbibliotheken nicht leisten können. Foto: Markt-Huter

 

Lesen in Tirol: Was lässt sich für die Zukunft noch verbessern?

Kathrin Mader: Da ist vor allem das Thema Öffnungszeiten, womit eine Bibliothek wahrscheinlich nie glücklich sein kann, weil man einfach mit der Anzahl der Mitarbeiter auskommen muss, die zur Verfügung steht. Mittlerweile haben wir nur mehr zwei verschieden Öffnungszeiten, im Gegensatz zu früher wo es noch vier waren. Am Montag haben wir jetzt von 14 bis 19 Uhr und von Dienstag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Öffnungszeiten könnten nie genug sein und natürlich wäre schön, wenn wir jeden Tag von 10 bis 19 Uhr offen haben könnten. Wir haben nur einen Tag am Abend geöffnet, weil mehr einfach nicht möglich ist. Dafür soll die durchgehende Öffnungszeit über Mittag Leuten, die in Innsbruck arbeiten, die Möglichkeit bieten, unsere Bibliothek zu besuchen. Mein ganz großes persönliches Anliegen wäre die Samstagöffnungszeit, wofür aber zumindest noch zwei zusätzliche Mitarbeiter benötigt würden.

Lesen in Tirol: Wie würde ihr Wunsch an das Christkind ausschauen?

Kathrin Mader: Selbstverständlich mehr Geld und mehr Personal, um gewisse Dinge verwirklichen zu können. Mehr Personal wäre mir fast lieber, um z.B. die Samstagsöffnungszeit einführen zu können, was aber natürlich auch wieder mehr Geld bedeuten würde.

 

 

*  *  *  *  *

 

Weiterführende Links:

 

Andreas Markt, 24-01-2005

Redaktionsbereiche

Lesen