Die Kindergartenbibliothek: Ein wichtiger Schritt in der Lesesozialisation

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Die gängige Meinung, dass wir das Lesen in der Schule lernen, ist zwar richtig aber nur ein Teil der Wahrheit. Denn bereits vom ersten Schultag an, befinden sich die Kinder auf ihrem Weg zum Lesen- und Schreiben-Lernen an unterschiedlichen Startpositionen. Der Weg in die Welt des Lesens hat nämlich schon früher begonnen, zu Hause in der frühen Kindheit.

Sozialisation bedeutet die Anpassung an gesellschaftliche Denk- und Gefühlsmuster durch Verinnerlichung von sozialen Normen oder Verhaltensmustern. Lesesozialisation meint somit den Eintritt einer Person in die Welt des Lesens, der bereits mit dem Vorbild der Eltern in der frühesten Kindheit ansetzt. Eltern die selbst viel Lesen, viele Bücher haben und ihren Kindern regelmäßig vorlesen, lassen ihren Kindern das Lesen als ganz natürlichen Bestandteil des Lebensalltages erleben.

Aber nicht alle Eltern lesen gleich gerne oder viel und räumen dem Vorlesen ihrer Kinder den selben Stellenwert ein. Eine wichtige Rolle in der vorschulischen Leseerziehung erfüllt in dieser Hinsicht der Kindergarten, wo auch Kinder, die zu Hause bis dahin wenig mit dem Lesen in Berührung gekommen sind, erleben lernen, wie aufregend und spannend die Welt des Lesens sein kann.

Der Kindergarten Alpbach hat sich mit dem Projekt einer Kindergartenbibliothek bewusst das Ziel gesetzt, das gemeinsame Lesen von Eltern und Kindern gezielt zu fördern und kann mit seinen Bemühungen bereits auf schöne Erfolge verweisen. Lesen in Tirol hat im Dezember 2011 die Leiterin des Kindergartens Alpbach, die Kindergartenpädagogin Petra Spiß und die beiden Leiterinnen der Kindergartenbibliothek in Alpbach Alexandra Margreiter und Sabine Moser in einem Interview über ihre Ziele und Erfahrungen mit ihrer Kindergartenbibliothek befragt.

 

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Lesen in Tirol: Wie ist die Idee einer Kindergartenbibliothek entstanden und welche Zielrichtung verfolgen sie damit?

Petra Spiß: Als ich den Kindergarten Alpbach vor ca. zehn Jahren übernommen habe, gab es bereits einen großen Bestand an Bilderbüchern und Kinderbüchern. Dieser hat sich im Laufe der folgenden Jahre weiter vergrößert, bis es einfach keinen Platz mehr in unserem Bücherschrank gab. Aus der Not haben wir eine Tugend gemacht und einen neuen Bücherschrank angeschafft. Um uns selbst einen Überblick über den Buchbestand zu verschaffen und die Bücher leichter auffindbar zu machen, haben wir damit begonnen, die Bücher zu katalogisieren.


V.l.n.r.: Die Kindergartenbibliothekarin Sabine Moser, die Leiterin des Kindergartens Alpbach Kindergartenpädagogin Petra Spiß und Kindergartenbibliothekarin Alexandra Margreiter. Foto: Markt-Huter

 

In dieser Zeit entstand bei mir die Überlegung, dass bei einem so großen Buchbestand eine Bibliothek doch eine gute Idee wäre. Ich habe daher die Nummerierung der Bücher so gestaltet, dass diese auch für eine Bibliothek übernommen werden konnten. Im Zertifikatslehrgang für Führungsmanagement in Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen des Landes Tirol den ich 2008/09 absolviert habe, wurden immer wieder Elternpartnerschaft und Angebote von Kindergärten thematisiert. Durch diesen neuen Blickwinkel auf den Kindergarten inspiriert, habe ich damit begonnen, die Idee einer Kindergartenbibliothek in Zusammenarbeit mit den Eltern in die Realität umzusetzen.

Etwa zur selben Zeit wurde auch die sogenannte Sprachstandsfeststellung in den Kindergärten eingeführt, womit das Thema Sprache und Lesen einen zentralen Stellenwert erhielt, was wiederum sehr gut zu der Idee einer Kindergartenbibliothek gepasst hat.

Nachdem wir uns überlegt haben, was wir für eine Kindergartenbibliothek wir brauchen und wie wir sie umsetzen können, wurde bei einem Elternabend schließlich das Projekt Kindergartenbibliothek vorgestellt. Aufgrund der gruppenführenden Tätigkeit konnten wir als Kindergartenpädagoginnen die Bibliotheksarbeit nicht selbst abwickeln, sodass diese Aufgabe vollständig von den Eltern übernommen wurde. Ein halbes Jahr lang wurde die Kindergartenbibliothek zunächst von Alexandra Margreiter alleine geleitet, später kam dann Sabine Moser dazu, die sich wöchentlich in der Bibliothek abwechseln.

Alexandra Margreiter: Die Arbeit in der Kindergartenbibliothek jeden Montag von 11:30 Uhr bis 12:30 ist nicht wirklich aufwendig. Wichtig ist es pünktlich zu sein, weil der Andrang auf die Bücher von Beginn an relativ groß ist. Mittlerweile kennen wir den Buchbestand und wissen welche Bücher hier sind und welche nicht, aber auch welche Bücher von den Kindern besonders gewünscht werden, die wir dann auch versuchen neu anzuschaffen.

Petra Spiß: Hinsichtlich der Ziele unserer Kindergartenbibliothek ging es uns darum, einen Beitrag zur literarischen Sozialisation unserer Kindergartenkinder zu leisten. Wir machen im Kindergarten sehr viele Übungen, die auf Sprache abzielen. Wir können die Kinder kognitiv auf das Lesen vorbereiten und auditiv schulen, aber das sozial-emotionale Element, das gerade beim Lesen eine so wichtige Rolle spielt, lässt sich meiner Ansicht nach in der Familie viel besser umsetzen.


Mit der Einrichtung unserer Kindergartenbibliothek ging es uns darum, einen Beitrag zur literarischen Sozialisation unserer Kindergartenkinder zu leisten. Foto Markt-Huter

 

Gerade das Lesevorbild der Eltern spielt für die Kinder eine ganz entscheidende Rolle. Die Kindergartenbibliothek bietet aus diesem Blickwinkel einen Ansporn für die Eltern, sich mit ihren Kindern hinzusetzen, mit ihnen zu lesen und dadurch die Leselust und die Lesefreude bei den Kindern zu wecken. Hier entsteht die Grundlage, um Lesen als etwas Positives zu empfinden. Kinder lieben es, wenn sie vom Vater oder der Mutter zur Seite genommen werden, um mit ihnen ein Buch zu lesen. Ich glaube ein Kind, dass die Erfahrung macht, dass Lesen etwas Feines und Positives sein kann, ist motiviert, später auch selber zu lesen.

Alexandra Margreiter: Die Kindergartenbibliothek hilft meiner Ansicht nach dabei, die Eltern zum gemeinsamen Lesen mit den Kinder zu motivieren. Wir hatten z.B. Eltern die sich gerade zur Mittagszeit zu sehr im Stress sahen, um auch noch ein Kinderbuch auszuleihen. Meistens haben die Kinder aber so lange auf ein Buch gedrängt, dass die Eltern nach einer gewissen Zeit doch nachgegeben haben. Sie leihen seither regelmäßig Bücher aus.

Eine Mutter z.B. wollte Anfangs nur Bücher mit möglichst wenig Text zum Vorlesen. Ich habe für sie dann auch immer Bücher mit wenig Text zurechtgelegt. Inzwischen können es auch Bücher mit viel Text sein. Ihre ältere Tochter geht mittlerweile in die Schule und liest ihrer jüngeren Schwester vor. Diese Familie ist für mich ein gutes Beispiel, dafür, welchen positiven Einfluss die Kindergartenbibliothek auf das Leseverhalten der Kinder und der Familien insgesamt ausübt.

Petra Spiß: Die Kindergartenbibliothek eröffnet die Möglichkeit, die ganze Familie zum Lesen anzuregen und zu motivieren. Nach Meinung der Experten ist es für das Lesen lernen von besonderer Bedeutung, aus welchem sprachlichen Milieu die Kinder kommen. Das Vorlesen durch die Eltern zu fördern, hat demnach eine ganz wichtige Bedeutung.

Alexandra Margreiter: Vor allem die große Auswahl an Büchern für das Kindergartenalter macht die Bibliothek besonders attraktiv. Da im Kindergartenalltag nicht alle Bücher verwendet werden können, bietet die Bibliothek die Möglichkeit, die Bücher dennoch allen Kindern und Eltern zugänglich zu machen. Dabei ist es für die Kinder besonders motivierend, wenn sie das Buch aus dem Kindergarten mitnehmen können. Aber auch die eigenen Bücher zu Hause werden wieder interessant, wenn es dasselbe Buch vielleicht auch in der Kindergartenbibliothek gibt.


Es ist für die Kinder besonders motivierend, wenn sie das Buch aus dem Kindergarten mitnehmen können.
Foto: Markt-Huter

 

Lesen in Tirol: Wie hat man sich eine Kindergartenbibliothek vorzustellen und was unterscheidet sie z.B. von einer Öffentlichen Bibliothek?

Petra Spiß: Unsere Bibliothek ist kein eigener Raum, sondern befindet sich in der Leseecke im Gang, die währen der Ausleihzeiten entfernt wird. Jeden Montag von 11:30 - 12:30 Uhr verwandelt sich unsere Leseecke in die Kindergartenbibliothek. Dabei braucht es nur eines Tisches, eines Stuhls und einer Leiter für die Ausleihe, um die Bücher auch in den oberen Regalen unseres Bücherkastens zu erreichen.

Sabine Moser: Der Montag als Bibliothekstag hat sich mittlerweile zu einem fixen Bestandteil des Kindergartenalltags entwickeln können und gehört heute wie selbstverständlich dazu.

Alexandra Margreiter: Die Kindergartenbibliothek ist im Gegensatz zur Öffentlichen Bibliothek nur für Kindergartenkinder zugänglich. Durch die Räumlichkeit der Bibliothek im Ankleidebereich des Kindergartens befinden sich die Eltern beim Abholen ihrer Kinder mitten im Geschehen und können sich den Wünschen ihrer Kinder nach einem Buch nicht so leicht entziehen. Es gibt, glaube ich, nur ganz wenige Eltern, die kein Buch ausleihen wollen.

Wenn die Kinder im ersten Jahr den Kindergarten besuchen, leihen sie in der Regel mit ihren Eltern Bücher aus. Ältere Kinder hingegen wissen meist schon, was sie interessiert und schauen sich bereits selbst in der Bibliothek nach Büchern um. Mit Ausnahme von Büchern, wo besonders viel zum Lesen ist, verleihen wir die Bücher für eine Woche.

Petra Spiß: Ich erlebe, wenn ich ein Buch in der Gruppe vorlese, dass viele Kinder das Buch schon kennen. Oft lese ich ein neues Buch bewusst zunächst in der Gruppe vor, bevor es für die Ausleihe frei gegeben wird. Dadurch wird es für die Kinder meist besonders interessant.


Der Montag als Bibliothekstag hat sich mittlerweile zu einem fixen Bestandteil des Kindergartenalltags entwickeln können und gehört heute wie selbstverständlich dazu. Foto: Markt-Huter

 

Sabine Moser: Die Kinder entwickeln in dieser Hinsicht sehr viel Initiative. Wenn sie bemerken, dass wieder Bibliothekstag ist, holen viele eigenständig ihre Bücher aus der Tasche, geben sie zurück, um wieder neue Bücher zu suchen und auszuleihen. Kinder werden damit auch ein wenig zur Selbständigkeit erzogen, wenn sie selbst ausleihen und wieder zurück geben können. Kinder motivieren sich durch ihr Ausleihen auch gegenseitig Bücher zu lesen.

Lesen in Tirol: Welche Erfahrungen konnten Sie mit der Kindergartenbibliothek bisher machen?

Alexandra Margreiter: Wir konnten in diesen drei Jahren des Bestehens eigentlich nur positive Erfahrungen sammeln. Die Kinder passen ganz besonders auf die Bücher auf. Nur einmal konnte ein Buch nicht mehr gefunden werden, das dann später doch noch aufgetaucht ist. Sie bekommen von uns eine eigene Tasche, in der sie das Buch mit nach Hause transportieren können, was die Bedeutung des Buches zusätzlich hervorheben soll.

Petra Spiß: Auch die große Anzahl der Lesepässe sehe ich als Zeichen dafür, wie positiv das Angebot der Kindergartenbibliothek angenommen worden ist. Für den Bücherpass am Anfang eines Semesters verlangen wir 6 Euro. Mit diesem Geld besorgen wir regelmäßig neue Bücher.

In der monatlichen Elternpost informieren wir über neue Bücher oder stellen Buchbesprechungen vor. Dazu gibt es immer wieder auch kleine Leserezepte, wie z.B. zehn Minuten Gemütlichkeit einrichten und dann Vorlesen oder das Kind einmal ein bekanntes Buch doch selbst erzählen zu lassen. Mit solch gezielten Informationen versuche ich das gemeinsame Lesen zu Hause und das Interesse an der Kindergartenbibliothek zu fördern.

Lesen in Tirol: Hat sich das Bewusstsein für das Lesen durch die Einrichtung der Kindergartenbibliothek intensiviert?

Petra Spiß: Für meine Arbeit war das Lesen oder umfassender gesagt die Sprachförderung immer schon ein fixer Bestandteil meiner Kindergartenarbeit. In dieser Hinsicht hat sich grundsätzlich wenig geändert. Vielmehr ist aus der Kindergartenarbeit die Idee mit der Bibliothek entstanden.


Die große Anzahl der Lesepässe sehe ich als Zeichen dafür, wie positiv das Angebot der Kindergartenbibliothek angenommen worden ist. Foto: Markt-Huter 

 

Alexandra Margreiter: Für die Eltern dürfte durch die Bibliothek die Motivation, ihren Kindern vorzulesen, gestiegen sein. Allein die Regelmäßigkeit der Buchausleihe erinnert die Eltern und Kindern an das gemeinsame Lesen. Viele, die während der Woche nicht zum Lesen kommen, lesen ein Buch noch schnell am Wochenende, einfach weil sie wissen, dass das Buch am Montag wieder zurück gegeben werden soll.

Lesen in Tirol: Werden in der Kindergartenbibliothek auch andere Medien außer Kinderbücher angeboten wie z.B. Hörbücher?

Petra Spiß: Einige Bücher, wie z.B. Peter und der Wolf werden durch CDs ergänzt. Für uns steht aber das gemeinsame Lesen von Eltern und Kind im Vordergrund. Nach meiner Erfahrung sind Hörbücher für Kinder im Kindergartenalter noch zu schwierig zu erfassen. Hörbücher funktionieren nur, wenn die Geschichten ganz einfach und simpel gestrickt sind, wenn die Kinder gezielt auf die Geschichte vorbereitet werden können oder wenn die Kinder den Inhalt einer Geschichte bereits gut kennen. Wenn hingegen ein unbekanntes Hörbuch lediglich abgespielt wird, macht das relativ wenig Sinn.

Alexandra Margreiter: Wir bieten seit diesem Jahr aber auch Bücher für Eltern an, Sachbücher, in denen sich Eltern über Erziehungsfragen informieren können.

Petra Spiß: Bei uns im Kindergarten gibt es ausländische Kinder, deren Herkunftsländer breit gestreut sind wie z.B. Griechenland, Südafrika u.a. aber auch Kinder die zweisprachig aufwachsen, wie z.B. englisch/deutsch. Nachdem wir im Kindergarten ein Englischprojekt durchgeführt haben, gibt es in unserer Bibliothek auch zahlreiche englischsprachige Bilderbücher. Wir haben aber auch andere mehrsprachige Bilderbücher, eines davon sogar mit chinesischen Schriftzeichen.

Lesen in Tirol: Worauf achten Sie bei der Zusammenstellung ihres Buchbestandes und beim Bucheinkauf?

Petra Spiß: Generell versuchen wir in unserem Buchbestand eine bunte Mischung aus Sachbüchern, Tierbüchern, Märchen, fantastische Geschichten mit Geistern, Feen zu halten, in denen die verschiedensten Themen für Kinder verarbeitet werden. Wenn wir Beispielsweise ein bestimmtes Thema im Kindergarten behandeln, suchen wir ein dazu passendes Buch aus. Alltagsthemen aus dem Bereich der Familie oder zu Themen wie Behinderung finden dabei ebenso in die Buchauswahl Eingang.


Bei den Büchern sollte der Textanteil nicht zu groß sein aber auch. Außerdem sollte der Text nicht zu einfach sein, damit die Kinder beim Lesen einen gewissen Wortschatz und eine gewisse Satzstruktur erfahren können.
Foto: Markt-Huter

 

Alexandra Margreiter: Gerade wenn es um Buchillustrationen geht, unterscheidet sich der Geschmack von Erwachsenen und Kindern mitunter doch ganz erheblich. Nicht selten habe ich erlebt, dass Bilderbücher, die mich persönlich überhaupt nicht angesprochen haben, von den Kindern ganz begeistert angenommen worden sind. Hier ist es beim Bücherkauf oft wichtig, über den Schatten des eigenen Geschmacks zu springen.

Petra Spiß: Es ist auch wichtig zu schauen, ob das Buch interessant und spannend aufgebaut ist. Wenn es erzählend ist, gilt es zu schauen, wie viel Freiraum es der Fantasie der Kinder lässt. Wichtig ist auch das Verhältnis zwischen Text und Bildern, wobei für unsere Altersgruppe der Textanteil der Bücher nicht zu groß sein sollte.

Außerdem sollte der Text nicht zu einfach sein, damit die Kinder beim Lesen einen gewissen Wortschatz und eine gewisse Satzstruktur erfahren können, was auch als Vorbereitung auf die Schule gedacht ist. Bücher mit gereimten Texten sind bei den Kindern auch sehr beliebt.

Lesen in Tirol: Lassen sich bei Mädchen und Buben bereits im Kindergartenalter unterschiedliche Leseinteressen erkennen?

Alexandra Margreiter: Ja, ganz eindeutig. Mädchen lieben z.B. Feenbücher und wenn auf dem Buch noch dazu ein wenig Glitzer zu finden ist, wird es gleich doppelt interessant. Bei den Buben stehen Feuerwehr, Dinosaurier und Sachbücher generell hoch im Kurs. Bücher über Tiere werden von Buben und Mädchen gleichermaßen geschätzt.

Die Altersangaben durch die Verlage sind eine wichtige Orientierung, wobei es immer darauf ankommt, wie erfahren Kinder im Umgang mit Büchern sind. Bei Kindern ohne große Leseerfahrung muss man das empfohlene Lesealter der Verlage meist ein nach unten setzen.

Lesen in Tirol: Lässt sich zusammen fassend behaupten, dass eine Kindergartenbibliothek eine gute Methode darstellt, um Eltern, vielleicht auch auf etwas subtile Art und Weise zum gemeinsamen Lesen mit ihren Kindern zu bewegen?

Sabine Moser: Das würde ich durchaus so sehen. Ich selbst würde mich als lesefaul bezeichnen. Meine Eltern haben uns Kindern nie Geschichten vorgelesen, das gab es einfach nicht. Ich selbst habe zwar meinen eigenen Kindern immer aus Kinderbüchern vorgelesen, aber für mich selbst konnte ich das Lesen bis heute nicht entdecken.


Ich sehe es als Vorteil , wenn die Bibliothek direkt im Ankleidebereich bei den Kindern untergebracht werden kann. Sowohl die Kinder als auch die Eltern sind unmittelbar mit dem Bücherangebot konfrontiert und nutzen dadurch die Bibliothek vermehrt. Foto: Markt-Huter

 

Für meine Kinder hingegen gehört das Lesen bereits zum Alltag. Meine jüngere Tochter leiht sich Bücher aus der Kindergartenbibliothek aus, die ihnen ihr Vater vorliest, oder wir schauen gemeinsam Bilderbücher an. Meine ältere Tochter besucht die Volksschule und zur Leseübung gestalten wir zwei bis dreimal in der Woche am Nachmittag eine Lesestunde, wo wir alle beisammen sitzen, unsere große Tochter vorliest und wir das Gelesene besprechen.

Petra Spiß: Ich sehe es als ein ganz wichtiges Ziel, dass in der Familie gemeinsam gelesen wird. Ich verbinde mit dieser Vorstellung, dass sich die Eltern Zeit für das Kind nehmen, um gemeinsam ein Buch anzuschauen. Dabei geht es nicht nur um das Vorlesen eines Textes sondern auch um das Besprechen von Bildern und das Gespräch über ein gemeinsames Thema. Dass Eltern und Kinder mit Hilfe der Bücher bewusst eine gemeinsame Zeit verbringen, wo auch Emotionen zur Sprache kommen, würde ich daher als das wesentliche Ziel der Kindergartenbibliothek formulieren.

Auch wenn wir noch so oft die wichtige Rolle des gemeinsamen Lesens zu vermitteln versuchen, nirgends sonst können wir mit Hilfe der Bibliothek und über die Kinder die Eltern besser erreichen als im Kindergarten, wo es zu einem täglichen Kontakt kommt.

Lesen in Tirol: Was würden sie Kindergärten empfehlen, die ebenfalls eine Kindergartenbibliothek einrichten möchten?

Sabine Moser: Ich würde es als Vorteil sehen, wenn die Bibliothek nicht in einem eigenen Raum sondern direkt im Ankleidebereich bei den Kindern untergebracht werden kann. Sowohl die Kinder als auch die Eltern sind unmittelbar mit dem Bücherangebot konfrontiert und nutzen dadurch die Bibliothek sicherlich vermehrt. Die Kinder können die Bücher ohne Hilfe ihrer Eltern auswählen und entwickeln damit auch eine gewisse Selbständigkeit.

Petra Spiß: Im Grunde braucht es für eine Kindergartenbibliothek nicht besonders viel. Wichtig ist es die Zeit und einen Ort zu haben, wo die Ausleihe stattfinden kann. Außerdem sollte der Ablauf ein System haben (Buchnummerierung, Ausleihpass, und eventuell eine Tasche) und vor allem regelmäßig sein.


Die Kindergartenbibliothek in Alpbach befindet sich direkt im Ankleidebereich und weckt dadurch das unmittelbare Interesse sowohl von Kindern als auch Eltern. Foto: Markt-Huter

 

Lesen in Tirol: Was wären, in Bezug auf die Kindergartenbibliothek, ihre Wünsche an das Christkind?

Sabine Moser: Der einzige Wunsch der mir einfällt ist, dass sich auch in Zukunft Eltern finden mögen, die bereit sind, die Kindergartenbibliothek weiter zu führen.

Lesen in Tirol: Vielen Dank für das Interview!

 

Weiterführende Links:
Kindergarten Alpbach

 

Andreas Markt-Huter, 25-01-2012

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