Topp - Forschungsarbeiten der Pädagogischen Hochschule Tirol zu Lesen und Sprache

So wie die Lehre der Pädagogischen Hochschule Tirol aktuellen Forschungsstand und  Unterrichtspraxis verbindet, sind auch  die Abschlussarbeiten der Studierenden durch theoretische Aufarbeitung des Themengebiets und praxisbezogenen Forschungsteil gekennzeichnet. 

Hier ein Hinweis auf zwei hervorragende Beispiele:


1. Beispiel:

Meyer, Manuela: Lese-Rechtschreibschwäche in der Praxis: die Entwicklung eines Förderkonzepts auf Basis   eines umfassenden diagnostischen Verfahrens im Rahmen einer Einzelfallanalyse

Diese Arbeit gibt einen umfassenden Einblick in den Forschungsstand der LRS. Die Verfasserin arbeitet die Erklärungsmuster der verschiedenen wissenschaftlichen Ansätze heraus und kommt zum Schluss, dass es keine Einigkeit hinsichtlich der Ursachenerklärung bzw. der empfohlenen Maßnahmen gibt und sich die Forschung in der letzten Zeit eher der Frage zuwendet: Was muß ich wissen, damit ich gezielt helfen kann?

In der Analyse der  Lernbedingungen beschäftigt sich die Autorin neben dem rein fachlichen Aufbau des Erstlese- und Schreibunterrichts vor allem auch mit der Motivation und dem Selbstwertgefühl lese- und rechtschreibschwacher Kinder.  Sie empfiehlt einen vorsichtigen Umgang mit der - für die Förderung vorauszusetzenden - Diagnose, d.h. mit dem Einsatz und der Auswertung von Testmaterial, damit nicht vorschnell eine Etikettierung erfolgt, welche die Entwicklung des Kindes negativ beeinflußen könnte.

An einer Einzelfallstudie stellt die Autorin dann ein praktisches Förderkonzept und dessen Verlauf dar. Es wird deutlich, dass entscheidende Erfolgsfaktoren ein großes Maß an Kontinuität und die Einbeziehung des familiären und schulischen Umfelds sind. Einsatz spielerischer und altersgerechter Materialien, strukturiertes Vorangehen, konstruktiver Umgang mit Rückschlägen und Anerkennung bei Fortschritten führten im dargestellten Einzelfall zu einer messbaren Verbesserung und letztlich zu einem Erfolgserlebnis für das Kind selbst.. -

Eine Arbeit, die sehr gut die Möglichkeiten der modernen individuellen Förderung auslotet, aber auch verdeutlicht, dass diese für den Unterrichtenden nicht instant anwendbar sind, sondern entsprechendes Vorwissen, sorgfältige Planung, gegebenenfalls Beiziehung von ExpertInnen wie SchulpsychologInnen, sensibles Vorgehen und letztlich viel Zeitaufwand voraussetzen.


Meistens sind die Auswirkungen einer Lese-/Rechtschreibschwäche bei Erwachsenen nicht so unterhaltsam wie auf diesem Foto!

2. Beispiel:

Klingler, Stephan, Spracherwerbstheoretische Ansätze im handlungsorientierten Grundschulunterricht

Nach Jahren der Agonie in Sachen Theorie im schulischen Sprachunterricht sickert die moderne Linguistik immer mehr in diesen Bereich ein. Indizien dafür sind der veränderte Umgang mit Mehrsprachigkeit und die Forschungsergebnisse der entscheidenden Rolle von Sprachbeherrschung für den Schulerfolg überhaupt.

Im Fremdsprachenunterricht sind Grundlagenkenntnisse in Linguistik ein Werkzeug für die Lehrenden, um die fremdsprachliche Produktion ihrer Alumni besser verstehen und fördern zu können, wie die vorliegende Arbeit zeigt. Der Verfasser beschäftigt sich mit den Spracherwerbstheorien von Chomsky, Terrel, Krashen, Lozanov, Piaget, Asher, Bleyhl und Roche im Hinblick auf die Unterrichtspraxis.

Er zeigt auf, welche Faktoren beim Prozess des Spracherwerbs aus linguistischer Sicht förderlich sind, wobei die erstgenannten Autoren (Sonderfall Lozanov mit Superlearning) als die Grundlagenforscher des modernen Sprachunterrichts anzusehen sind. Vor allem Blehyl und Roche, wie im übrigen auch der in der Arbeit nicht erwähnte Werner Butzkamm, sind Didaktiker, bei denen einiges an Tipps und Tricks abzuholen ist.

Bemerkenswert die Sicht auf Fehler als notwendige Phase des Fremdsprachenerwerbs, durch die jeder hindurch muss. Die gängige Praxis des Fehler- und Punktezählens in Schularbeiten stellt sich damit in den Fremdsprachenfächern zumindest aus wissenschaftlicher Sicht sehr in Frage.

Entscheidend letztlich  ist es, ob es dem Sprecher gelingt, in seiner Produktion zu komplexeren sprachlichen Strukturen, Wortbildungsprinzipien und Analogien voranzukommen und nicht bei einfachen Aussagen stehenzubleiben.

Die Voraussetzung dafür und für das gesamte Sprachenlernen sind Sinnhaftigkeit und Bedeutung der fremdsprachlichen Inhalte, da das menschliche Sprachvermögen aus Sicht der Spracherwerbstheorien primär auf Sinnerfassung und -erzeugung ausgerichtet ist. Strukturen sind sekundär; ihr Einüben und Wiederholen allein hat keinen nachhaltigen Lerneffekt.

Eine wertvolle Arbeit auf dem Gebiet der Theorie, aus der vor allem die praktische Anregung abgeleitet werden kann, im Sprachunterricht höchsten Wert auf sinnvolle Inhalte zu legen und diese interessant und altersgerecht auszuwählen.


Die Studienbibliothek der Pädagogischen Hoschschule Tirol bietet neben hervorragender Fachliteratur auch zahlreiche lesenswerte Abschlussarbeiten. Foto: Markt-Huter


Die besprochenen Forschungsarbeiten sind in der Bibliothek der Pädagogischen Hochschule Tirol vorhanden und entlehnbar.

 

 

Rückfragen an: arnd.meusburger@ph-tirol.ac.at

 

Weiterführende Links:

Studienbibliothek an der Pädagogischen Hochschule
Pädagogische Hochschule Tirol

 

Arnd Meusburger, 16-04-2009

Redaktionsbereiche