Georg Stefan Troller, Ein Traum von Paris

georg stefan troller, ein traum von parisIm Zentrum von Innsbruck ist eine Uhr aufgestellt, die ununterbrochen eine belanglose Ziffernfolge laufen hat. Meist sind es Ankünfte eines Rodlers oder Schispringers, welche heruntergezählt werden, momentan läuft die Uhr gegen die Rad-WM. Warum kann diese dumme Uhr nicht einmal etwas Sinnvolles herunterzählen, etwa, dass am 21. Juni 2018 Georg Stefan Troller nach Innsbruck kommt und in der Studia liest?

Georg Stefan Troller ist Schriftsteller, Journalist und Fotograf, nach seinen Büchern ist beispielsweise die Trilogie „Wohin und zurück“ entstanden. Wer ein Paris-Bild vor dem inneren Auge aufbaut, wird dabei an die frühen Fotos denken, die das Lebensgefühl der 1950er Jahre am Beispiel von Paris für den ganzen Kontinent eingefangen haben.

„Ein Traum von Paris“ hat eine besondere Geschichte. Die Töchter des Autors haben ein paar verschollene Texte quasi aus dem Netz zurückgekratzt in die gedruckte Gegenwart, er selbst hat in einem entlegenen Winkel seiner Wohnung Abzüge aus den Jahren 1953-1956 entdeckt, die Fundstücke sind jetzt für einen aufregenden Band zusammengetragen worden.

Das Arbeitskonzept ist in einer Einstimmung wundersam vorgeführt. Der Autor berichtet in ER-Form, wie er einem deutschen Soldaten die erste Kamera abgenommen hat, als Paris wieder frei war. Der Ich-Erzähler ist nämlich überzeugt, dass er bessere Bilder vom befreiten Paris machen kann als ein sogenannter „Kraut“ in Gefangenschaft.

Die meisten Motive sind aufgenommen mit durchgetretenen Schuhen, bei denen der Innenkarton am Straßenpflaster schabt. Wenn das Stativ Auswirkungen auf das Bild hat, dann haben es durchgetretene Schuhe des Fotografen umso mehr. Das Bild-Sehen ist nämlich eine permanente Angelegenheit, in welche viele Subtexte des Urhebers und Betrachters einfließen. Der Eindruck beim Durchblättern der Fotos lässt sich mit Melancholie umschreiben, es ist kein überflüssiges Licht zugelassen und dennoch wirken die Gesichter hell, auch wenn die Lebensgeschichte darin Schatten gesetzt hat. In einem Text dazu ist von Vorstädten die Rede, die zum Tod verurteilt sind.

Ein Schlüsselbegriff über Paris könnte „Ausgewogenheit“ sein. Dabei sehen die Angereisten die Stadt romantisch, während die Einheimischen sie realistisch sehen. Jedenfalls ist die Stadt eine ideale Fläche, um darin große Typen auftreten zu lassen, wie etwa einen Erdnusshausierer, der sich mit Würde durchs Leben schlägt. In einer Zeit ohne Netz sind auch die Beziehungen zwischen Journalisten und ihren Fällen noch durchaus analog, es werden keine Fake-News über das Verbrechen berichtet, sondern es ist von Gesichtern die Rede, welche das eine oder andere Ding gedreht haben.

Nicht umsonst fasst die ZEIT einmal den Troller-Menschen mit den bravourösen Begriffen zusammen: „Menschenforscher, Menschenversteher, Weltbürger, Jahrhundertmensch“.

So gesehen ist es schade, dass die Innsbrucker Weltuhr von einem Radfahrer erzählt, der einmal eine Runde treten wird, und nicht von Georg Stefan Troller, der bereits hellwach durch ein ganzes Jahrhundert getreten ist.

Georg Stefan Troller, Ein Traum von Paris. Frühe Texte und Fotografien, Abb.
Wiesbaden: Corso Verlag 2017, 176 Seiten, 19,60 €, ISBN 978-3-7374-0743-4

 

Weiterführende Links:
Corso Verlag: Georg Stefan Troller, Ein Traum von Paris
Wikipedia: Georg Stefan Troller

 

Helmuth Schönauer,24-05-2018

Bibliographie

AutorIn

Georg Stefan Troller

Buchtitel

Ein Traum von Paris

Erscheinungsort

Wiesbaden

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Corso Verlag

Illustration

Georg Stefan Troller

Seitenzahl

176

Preis in EUR

19,60

ISBN

978-3-7374-0743-4

Kurzbiographie AutorIn

Georg Stefan Troller, geb. 1921 in Wien, lebt in Paris. Er ist Autor der autobiographischen Filmtrilogie 'Wohin und zurück’.