Meinrad Schumacher, Wegmarken für suchende Christen und bekümmerte Atheisten
Manche Bücher sind so stark an den Autor gebunden, dass man diesen immer leibhaftig mitdenkt, wenn man das Buch liest. Meinrad Schumacher gilt einerseits als Boje des jeweiligen Zeitgeistes, andererseits als permanenter Widerstandskämpfer im Zeitgeist. Die Lebenskurve des ehemaligen Stadtjugendseelsorgers von Innsbruck und die offizielle Kurve der Kirche sind immer wieder auf Kollisionskurs im rechten Winkel zusammengezuckt.
Seine für die Fangemeinde aufgelegten "Wegmarken" sind hintersinnige Überlegungen, wie man das phantastische Reich Gottes mit dem Geröll Tirols in Verbindung bringen könnte. Dabei liefert der Autor keine Anleitungen für die große Mission, sondern "kleine Leitern des Denkens, die man nach Gebrauch umstoßen darf", um es groß mit Wittgenstein zu sagen.
Anlass der knapp vierzig Wegmarken sind immer fuzzige Begebenheiten, aus denen sich dann jeweils ein runder Gedanke für suchende Christen und bekümmerte Atheisten entwickelt.
So wird der Sager Bruno Kreiskys "Ich bin Agnostiker" als passable Erklärung für Unverständliches gedeutet, allerdings mit der geistigen Hintertür, dass ja auch Agnostiker fallweise etwas glauben dürfen. Eine Notlampe in einer Freizeithütte kann sich durchaus mit dem ewigen Licht messen. Wenn man mit offener Brust, also inbrünstig, etwas Religiöses erleben will, darf es zwischendrin auch kitschig zugehen, deshalb hat der Autor seine Heiligenbilder auch wie Gartenzwerge aufgestellt, die vor jeder akademischen Restaurierung in Schutz genommen werden müssen.
Der Schlüsselbegriff ist "Schmalspur". Meinrad Schumacher verwendet diese Verkleinerungsform großer Leitsysteme durchaus ironisch, denn immerhin kommt man auf Schmalspur in Gegenden und Talschaften, in denen die großen Verkehrsnetze ausgetrickst werden. Und was für die Eisenbahn gilt, gilt durchaus auch für die Tiroler Hirne, die ja Meister der Schmalspur sind.
Meinrad Schumachers Wegmarken sind über lange Strecken beste Unterhaltung, die Geschichten sind griffig, die Anlassfälle dementsprechend absurd. Und da der Autor der Moral immer rechtzeitig ausstellt wie einem wild gewordenen Hund, ist es für den Leser ein fröhliches Erlebnis, mit dem Autor in einer Gedankenkoje zu warten, bis die große Gefahr von Moral vorüber ist.
Meinrad Schumacher, Wegmarken für suchende Christen und bekümmerte Atheisten.
Innsbruck: Eigenverlag 2004. 76 Seiten. EUR 8,-. ISBN 3-9500122-5-7.
Helmuth Schönauer 22-06-2004