Georg Paulmichl, Nirgendwo

Buch-Cover

"Kleine Kinder werden ins Taufwasser geschüttet. Damit werden sie in die Gemeinschaft der Kirchgänger aufgenommen." (26)

Das ist der Südtiroler Schriftsteller Georg Paulmichl. Kurz, humorvoll, genau, und scheinbar leicht daneben. Der Autor gilt als das Paradebeispiel für eine Literatur des Handicaps. ?Ich bin nicht behindert, ich kann reden lautet einer seiner wichtigsten Sätze.

Die italienisch-schreibende Schriftstellerin Roberta Dapunt hat nun den Versuch unternommen eine Auswahl seiner markantesten Texte ins Italienische zu übersetzen. Wir im Deutschen Hinterbliebenen haben den Vorteil, einmal zu sehen, welche Auswahl für bemerkenswert gehalten wird, und so gut es geht nachzuerleben, wie sich die italienische Sprache biegen muss, um der sogenannten Geradlinigkeit Georg Paulmichls gerecht zu werden.

Geradezu als Leuchtkörper in der Herbstliteratur mag dabei das "Nebelgedicht" gelten.

Der Nebel // Der Herbstnebel kommt angeschwollen. / Der Nebel verkürzt die Landschaft. / Die Blicke verschwinden im Nebeldunst. / Die graue Landschaft drückt einem aufs Gemüt. / Hinter dem Nebel versteckt sich die Sonne und faulenzt den ganzen Tag. / Gegen den Nebel kann man nichts machen, / man muß ihm seinen Lauf lassen. (14)

Generell sind es drei Themen, die der Autor mit seinem ungewöhnlichen Blick immer auf den Kopf stellt. Die Natur in ihrer oft schon zum Klischee verkürzten Ansprache, die Biographie, worin vorgegebene Aufsatzthemen durch Emsigkeit karikiert werden, und schließlich Lebensweisheiten, die es so in sich haben, dass sie auch in ihrem Gegenteil gelten können.

So tauchen alle diese Themen, die man auch im entlegensten Winkel im Vinschgau für den Lebenslauf braucht, verlässlich auf. "Frauen - Hochzeit - die Väter - Altersheim -Krankenhaus" heißt so eine Erfahrungskette des Daseins, die dadurch entsteht, dass man die Überschriften der aktuellen Sammlung hintereinander liest.

"Schützen - Carabinieri - Köpfe - Die Natur - Tod". Die Übersetzerin hat die Titel klug hintereinander gesetzt, sodass sich bereits beim Überfliegen des Inhaltsverzeichnisses ein spitzer Einstieg in das Wesen Südtirols ergibt.

Letztlich ist die Welt Georg Paulmichls so konkret verortet, dass sie überall stattfinden kann. Aus dem sprachlich rund um Prad am Stilfserjoch angesiedelten Denkvorgang entsteht durch das Schreiben eine Befreiung, die jegliche Bindung an irgendeinen Ort abschüttelt. So gesehen enden alle Texte im Nirgendwo, wo wir Leser sie verlässlich abholen.

Georg Paulmichl, Nirgendwo. In nessun luogo. Ausgewählt und ins Italienische übersetzt von Roberta Dapunt
Wien, Bozen: folio 2011, 95 Seiten, 19,90 €, ISBN 978-3-85256-579-8

 

Weiterführende Links:
Folio-Verlag: Georg Paulmichl, Nirgendwo
Wikipedia: Georg Paulmichl

 

Helmuth Schönauer, 10-11-2011

 

 

Bibliographie

AutorIn

Georg Paulmichl

Buchtitel

Nirgendwo. In nessun luogo.

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

folio

Übersetzung

Roberta Dapunt

Seitenzahl

95

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-85256-579-8

Kurzbiographie AutorIn

Georg Paulmichl, geb. 1960, lebt in Prad und besucht die dortige Behindertenwerkstätte.

Roberta Dapunt, geb. 1970 in Abtei, lebt in Abtei.

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