Siegfried Höllrigl, Was weiß der Reiter vom Gehen

Buch-Cover

Eine Reise mit sich ist ja ohnehin schon ein literarisch anspruchsvolles Thema, eine Reise mit sich zu Fuß durch den halben Kontinent ist wahrscheinlich ein Lebensprogramm, das man nur einmal unternimmt.

Der Drucker, Graphiker und Poet Siegfried Höllrigl beschließt im März 1980, eine intensive Reise zu Fuß nach Istanbul ins Österreichische Wunder-Gymnasium "anzugehen". Es dauert aber noch knapp ein Vierteljahrhundert, ehe die Eigen-Expedition im Jahre 2004 durchgeführt werden kann.

Dabei wäre die Reise gar nicht zustande gekommen, hätte sich Siegfried Höllrigl nach seinem Start in Basel nicht noch einmal selbst in Meran unterbrochen und in einer Kunstauktion alle seine Druckwerke verkauft, um die Wanderung zu finanzieren.

Der Weg führt scheinbar mit dem Lineal gezogen von Basel, über Meran, Lubljana, Sarajewo, Gorazde, Sofia nach Istanbul. Der Autor führt sorgfältig Tagebuch, es geht um Bekanntschaften, Sorge um Unterkunft, Planung des nächsten Tages und um das leibliche Überlebenswohl.

Zu diesen Reisesorgen kommen noch die gefährliche Situationen in den ehemaligen Kriegsgebieten Jugoslawiens, immer wieder ist etwas gesperrt oder vermint, manchmal aber sind auch die Feindschaften so, dass man nicht stracks hindurch wandern kann.

Bemerkenswert ist einerseits, dass die Welt nicht für Fußgänger gemacht ist, Straßen erweisen sich immer wieder als Todesstrich, andererseits ist auch die Bürokratie nicht auf Wanderer vorbereitet, so dass Polizisten aus allen möglichen und unmöglichen Gebüschen herausstürzen und den Ausweis sehen müssen.

Von Unternehmungen Marke Jakobsweg unterscheidet sich Siegfried Höllrigls Unterfangen schon einmal durch die Richtung, er geht, für einen Europäer untypisch, nach Osten. Außerdem ist es die Form der Dokumentation und des graphischen Blickes, der diese Kulturreise einmalig macht. Immer wieder wird nämlich die Wanderung unterbrochen, wenn eine wichtige Druckerei auf dem Weg liegt, stets werden Aufzeichnungen gemacht und wichtige Ansichtskarten an gute Freunde geschrieben, quasi als GPS der Beziehungen.

Und natürlich zeichnet der Autor alles, was ein anderer digital fotografieren würde. Zusammensitzen und rauchen, scheint der Lebenssinn am Balkan zu sein, (63) heißt es einmal. "Jetzt bin ich schon drei Wochen unterwegs und habe noch keinen anderen Wanderer gesehen." Die Menschen und Gegenden werden immer mit Ehrfurcht und Staunen beschrieben, manchmal schaut etwas aus wie Südtirol, nur eben Zeitversetzt.

Der Titel "Was weiß der Reiter vom Gehen" ist ein chinesisches Sprichwort und öffnet uns Lesern die Augen. Was wissen wir schon von Gegenden, die zu Fuß ums Eck liegen, aber eben durch Auto, Fernsehen und Internet in der Wahrnehmung entstellt sind.

Die Literatur hat die Aufgabe, den Blick zu Fuß in entlegene Gegenden zu tragen. Siegfried Höllrigl ist in seiner Literatur "gut zu Fuß!"

Siegfried Höllrigl, Was weiß der Reiter vom Gehen. Zu Fuß an den Bosporus. Reisezeichnungen. Mit einem Nachwort von Ilma Rakusa
Innsbruck: Edition Laurin by university press 2011, 240 Seiten, 19,90 €, ISBN 978-3-902811-19-6

 

Weiterführender Link:
Edition-Laurin: Siegfried Höllrigl, Was weiß der Reiter vom Gehen

 

Helmuth Schönauer, 29-09-2011

 

 

Bibliographie

AutorIn

Siegfried Höllrigl

Buchtitel

Was weiß der Reiter vom Gehen. Zu Fuß an den Bosporus

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Edition Laurin

Seitenzahl

240

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-902811-19-6

Kurzbiographie AutorIn

Siegfried Höllrigl, geb. 1943 in Meran, lebt in Meran.

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