Patrick Roth, Starlite Terrace

Buch-Cover

Es gibt so Lokalitäten, da möchte man als Leser auf jeden Fall hin, auch wenn es nur um ein Stück Vorstellung geht, aber gute Imagination ist das Beste, was ein Leser in einem Buch erwischen kann. "Starlite Terrace" ist ein wunderbarer Ort für Imagination.

 Patrick Roth lässt um das alte Appartementgebäude in Los Angeles herum ziemlich alte Menschen ihr Ausgedinge erleben. Die Figuren sind angenehm alt, haben viel erlebt und erzählen trotz aller makaberen Erlebnisse letztlich witzig und weise, was da alles an ihnen als Film abgelaufen ist. Film, wie könnte es in Los Angeles anders sein, spielt die Hauptrolle.Im Laufe von einem Jahr, vielleicht den vier Jahreszeiten vergleichbar, werden einem Erzähler vier Schicksale wie vier Elemente erzählt. Das Haupterlebnis für Rex ist  beispielsweise ein Bericht, wonach sein Vater im Film ?Zwölf Uhr mittags? den Gary Cooper gedoubelt haben soll.

In mannigfaltigen Winkelzügen biegt dabei die Erzählung immer wieder von den Figuren ab, wendet sich dem Film zu, den wir alle gesehen haben, und bastelt daraus ein Stück abgeklärtes Leben. Das Leben ist jenes Stück Zeitding, das manchmal in guten Filmen hängt und von dem man Anekdoten erzählt, die sich bei den Dreharbeiten ausgewachsen haben zu einem zweiten Film hinter dem ersten.

Beim nächsten Besuch des Erzählers ist Rex schon gestorben, man verwendet seine
Wohnung und seine Geschichten aber weiter, als wäre nichts geschehen. Jetzt
erzählt Moss, er ist immer noch traumatisiert von der Entführung seiner Tochter
vor gut vierzig Jahren. Obwohl er längst nicht mehr in New York lebt und nach Los Angeles gezogen ist, wird er das Gefühl nicht los, als könnte er an einem entscheidenden Ort sein, um dieser beinahe in sich selbst verschollenen Entführungsgeschichte noch eine beinahe filmische Wendung zu geben.

Gary hingegen überspannt Fiktionen bis sie religiös fundamental festgezurrt sind. Natürlich kriegt er es sexuell nicht hin und sucht deshalb Stories, die ihn religiös ziemlich schuldig wirken lassen. Klassischer Dialog: ?

Und hab ich mich ? Aufgezwungen.?
?Aufgezwungen ???
?Sie vergewaltigt?, sagte Gary. (122)

June schließlich streut an ihrem Geburtstag die Asche des Großvaters in den
Swimmingpool und schwimmt ein paar Runden durch die Asche der eigenen Herkunft.

Die Figuren sind natürlich mit markanten Drehbüchern ausgestattet, schließlich agieren sie in der Aura der Fiktion, die rund um Hollywood gang und gäbe ist. Aber während diese alternden Stars der vierten, fünften Liga ihr eigenes Leben spielen, sich inszenieren und die Erinnerungshappen geordnet Revue passieren lassen, schreiben sie so etwas wie die Geschichte der Filmrezeption.

So also könnte es zugehen, wenn man als Leser aus einem ergreifenden Film kommt und sein eigenes Leben darin verflechten will. Letztlich sind wir Leser paff rund um  ?Starlite Terrace? aufgefädelt, wir erzählen mittendrin unsere eigene Geschichte in den Palaver hinein, und es fällt gar nicht auf, dass wir anstandslos mithalten können. Vielleicht halten wir eine Waffe in der Hand, vielleicht ist es nur eine Rolle, vielleicht legen wir die Waffe wieder weg. ? So lässt es sich vortrefflich in seinen eigenen Geschichten altern.

Patrick Roth: Starlite Terrace.
Frankfurt/M: Suhrkamp 2004. 164 Seiten. EUR 16,80. ISBN 3-518-41662-6.

 

Helmuth Schönauer, 28-01-2005

Bibliographie

AutorIn

Patrick Roth

Buchtitel

Starlite Terrace

Erscheinungsort

Frankfurt

Erscheinungsjahr

2004

Verlag

Suhrkamp

Seitenzahl

164

Preis in EUR

EUR 16,80

ISBN

3-518-41662-6

Kurzbiographie AutorIn

Patrick Roth, geb. 1953 in Freiburg, lebt in Los Angeles.

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