Josef Schweikhardt, Sozusagen

Buch-CoverManchmal braucht es in der Lyrik das große Lineal, um dem Sprachgebrauch auf die Finger zu klopfen, wenn er zu vorwitzig ist. Das tut dann weh sozusagen. Und schlicht "sozusagen" heißt der Gedichtband Josef Schweikhardts, in dem Poetisches nicht nur vermischt sondern auch gleich aufgemischt wird.

Rasante Lyrik trägt immer auch ein Konzept als Schärpe durch die Gegend, der Autor hat sein aktuelles Konzept in einem Vor-Waschzettel formuliert. "Die Zonen verbaler Unschärfe bilden im Zeitalter von Morphing und fuzzy logic ein atmosphärisches Feld jenseits binärer Sprachspiele: eine Chance für geöffnete Redeweisen. Das Helle ist dunkel, das Tragische komisch genug. Und sozusagen umgekehrt."

In diesem aus den Fugen geratenen Koordinatensystem breitet sich eine Lyrik aus, die lapidar überschrieben ist mit "lyrik wie folgt". Da wird aufgeräumt mit dem heroischen Ich, das lyrische Ich nämlich heißt Franz oder Hilde und gibt sich in ein Wichtelschicksal. Ein Hemd legt sich als gefalteter Hügel vor das Fenster und die Hose legt sich über den Himmel. Tief unter der Gürtellinie hat der Sonneinkaiser keine Hosen an und bei 50 Grad und ohne Schatten der Burenwurst sind Mayerling, Schönbrunn und Ischl ganz flach.

Die Gedichte benehmen sich an der Oberfläche wie artige Dessous, aber dann wird ihnen in den Schritt gegriffen und das Unterste zu oberst gekehrt. Umschreibungen im Rilke-System heißt jener Abschnitt, in dem die Sprachkatze den heißen Brei des Eigentlichen umkreist und dennoch nichts versteckt und offen gelegt werden muss. (49)

Meilensteine der Lyrik werden im Rilkestil neu aufgerollt, dabei fungiert Rilke als Stifter virulenter Situationen. Mit Rilkes spanische Tänzerin, Kurtisane, Totentanz, Versuchung, Insel, Kreuzigung, Sturmnacht und Requiem sind die Gedichte überschrieben, gleichzeitig markieren diese Stationen einen Rilkeschen Pilgerweg durch die Lyrik.

Den Übergang zur Prosa bilden drei Altäre, auf denen in Exkursen Alice, Pinocchio und Peter Pan geopfert werden.

Wer Logik und Mathematik betreibt, schlittert folgerichtig und unabdingbar in die Gefilde der Paradoxienforschung (mit eigenen Lehrstühlen). (69)

Ergebnis dieser Forschung ist eine kleine Prosa "wie folgt", der Vorspann zum Zitat ist die wahre Botschaft, die Prosa selbst mutiert zu einem Anhängsel. In ein paar Abschlussgedichte schüttelt der Autor noch einmal seine lyrischen Gelenke aus, damit keine Verkrampfungen in den Gliedern bleiben.

Josef Schweikhardts Texte haben die seltene Fähigkeit, dass sie oberflächlich funktionieren und dabei einen immensen Tiefgang an den Tag legen. Die Texte lassen sich im ersten Blick als imposante Störungen des Lesetrotts begreifen, und während der Leser die Eindrücke an der Oberfläche ordnet, setzt schon die Tiefenwirkung mit intellektuellem Schub ein.

Josef Schweikhardt: Sozusagen. Poetisches & Vermischtes.
Wien: Passagen 2005. ( = Passagen Literatur ). 119 Seiten. EUR. 14,90. ISBN 3-85165-668-7.

 

Helmuth Schönauer, 09-02-2005

Bibliographie

AutorIn

Josef Schweikhardt

Buchtitel

Sozusagen. Poetisches & Vermischtes.

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Passagen

Seitenzahl

119

ISBN

3-85165-668-7

Kurzbiographie AutorIn

Josef Schweikhardt, geb. 1949, lebt in Wien.

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