Peter Paul Wiplinger, ausgestoßen

Buch-CoverIn einer schier endlosen Nacht driftet ein nachdenklicher Alkoholiker hellwach durch die Wiener Innenstadt. Er ist sein eigener Reiseführer und begleitet sich selbst mit kundigen Gesten in jene finstere Gegend, die bei Tageslicht als repräsentative Hauptstadt genutzt wird.

Peter Paul Wiplinger schickt seinen Helden als Ausgestoßenen durch eine Kindheit am Land, durch den Brei der aufgedunsenen Miefstadt Wien und durch diverse Lebensentwürfe und Ideologien.

Auf der obersten Ebene handelt diese essayistische Erlebnisprosa von den diversen Trinkbuden, die der Zecher aufsucht, aber zwischen dem Abtauchen im leisen Suff und den Ortswechseln tut sich die österreichische Seele auf. Aus den Stichen und Gravuren in einem Lokal steigt der österreichische Escorial in Gestalt des Benediktinerstifts Göttweig von den Wänden. Es wird ziemlich viel getäuscht, vorgemacht und gelogen, wenn man sich mit dem Katholizismus näher beschäftigt, besonders die Fassaden sind darauf abgestellt, vor allem zu wirken und nichts zu bedeuten.

Auf einer subtilen Tiefenebene ist zwischen Sud, Religion, Erziehungsprogramm und politischer Realität das wahre Programm des Helden installiert. Ein Leben lang hatte er nichts zu lachen und sieht daher auch die Umstände fallweise immer eine Spur zu ernst. Wo immer er länger hinschaut, er fühlt sich abgestoßen und ausgestoßen. Natürlich sind die österreichischen Umstände fallweise recht braun und mies, aber die wahre Lebensmelancholie entsteht erst dadurch, dass sich die Bewohner dieses Landes in dieser Geschichte suhlen.

Innenstadt, erzbischöfliches Palais, Denkmäler, historische Plätze, sie alle haben Dreck am Stecken, wenn man sie als Ausgestoßener in der Nacht abwandert. Auf den Habitus des Ausgestoßenen kommt es drauf an, und so ist es nur logisch, dass er zum Nächtigen den Bahnhof Wien Mitte nimmt, das wahre Mahnmal dieser Stadt.

Peter Paul Wiplingers Prosa ist ein melancholisches Geschichtsbuch über die Hinterseite der Gesellschaft. Wenn das Gemüt des Helden schwermütig ist, bekommt auch die Gesellschaft ihre schweren Schleier und umgekehrt. In den zeitgeschichtlichen Details erfährt der Leser eine andere Art von Geschichte, nämlich wie diese zwischen den Zeilen der offiziellen Geschichtsschreibung bei den Endverbrauchern des Lebens ankommt.

Peter Paul Wiplinger, ausgestoßen. Prosa 1994/2004.
Gosau: Arovell Verlag 2006. 133 Seiten. EUR 12,90. ISBN 3-901435-89-1.

 

Weiterführende Links:
Homepage: Peter Paul Wiplinger
Wikipedia: Peter Paul Wiplinger

 

Helmuth Schönauer, 08-11-2006

Bibliographie

AutorIn

Peter Paul Wiplinger

Buchtitel

ausgestoßen. Prosa 1994/2004

Erscheinungsort

Gosau

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Arovell Verlag

Seitenzahl

133

Preis in EUR

EUR 12,90

ISBN

3-901435-89-1

Kurzbiographie AutorIn

Peter Paul Wiplinger, ausgestoßen. Prosa 1994/2004.