Eduardo del Llano, Drei

Buch-Cover

Was immer dieses Drei auch bedeutet, es ist immer richtig. Beispielsweise ist es der letzte Teil einer Trilogie, die umgekehrt erzählt wird. „Tres“, „Dos“, „Uno“ ist also eine Abfolge, wie man im Film mit der Pistole in der Hand herunterzählt, bis es knackt oder der Delinquent ein Geständnis ablegt.

In der Insider-Sprache des Films ist Drei immer eine Hommage an die drei Farben blau, weiß, rot von Krzysztof Kieslowski. Und Eduardo del Llano ist ein Filmemacher, Filmefreak und Filmerzähler.

„Drei“ ist also ein Roman, bei dem der Leser wörtlich glaubt, „in einem schlechten Film zu sitzen“. Aber diese Lektüre löst ein spritziges, erhebendes Gefühl aus, wie es eben gute Filme auslösen. Eigentlich wird der Held Nicanor so ziemlich von der Scheiße verfolgt. Als er am morgen ein Stück Scheiße ins Labor zur Untersuchung bringen soll, wird er auf knappste Weise entführt.

Da stiegen drei Männer aus einem Lada und entführten ihn. (4)

Aber in einem schnellen Schnitt gehen die Erfahrungsebenen immer in Genres über, kaum findet sich Nicanor in der Rolle des Entführten zurecht, stellt sich heraus, dass er eigentlich ein Dummy für eine echte Entführung ist. Im Film werden eben alle Erfahrungen zu Probe-Erfahrungen.

Auf der nächsten Ebene ist der Held ein mehr oder weniger erfolgreicher Lover in der Filmbranche. In München wird ein Festival angezettelt und es gäbe zuhauf Gelegenheit für sexuelle Happenings. Aber auch hier liegt wieder die Scheiße quer, Nicador hat sich in der Eile den After nicht richtig abgewischt und kann jetzt völlig verschissen nicht auf den sexuellen Parcours.

Der dritte Erlebnisstrang führt in den Gefühlsdschungel, wo Emotionen, Wärme, Zuneigung und Erotik gepflückt werden können wie in einem tropischen Urwald.

In Tres wird jeweils einer dieser Erlebnisschenkel aufgeklappt und es kommt zur Begattung mit dem jeweiligen Genre. Die Entführungsgeschichte läuft wie auf Schienen dem Höhepunkt zu, der sinnliche Streifzug durch die Film-Society endet mit kulturschwerem Kopfweh und jede Bewegung im exotischen Paradies führt auf dem Weg zur Erkenntnis in fruchtige Ekstasen.

Als Leser ist man begeistert von diesem schnellen Blickgalopp durch Storys, Schicksale und Starkult. Der Erzählstrom knistert heftig, wie bei eingeschaufeltem Popcorn, das das Publikum zur Leinwand frisst. Die tropische Welt von Hundert Jahren Einsamkeit paart sich mit einem Bullshit aus Havanna, die Logik der Handlung rast als kubanischer Hurrikan durch die Seiten.

In einer Nachbemerkung erzählt Helmut Groschup, der Leiter des Innsbrucker Filmfestivals, wie Eduardo del Llano erstmals in Europa an Land gestiegen und im Sellrain Tal geendet ist, um in Sankt Sigmund das Drehbuch für den verrückten Film „Kleines Tropikana“ zu schreiben. Je skurriler das Ambiente, umso klarer werden die Figuren. Und im Panorama des Wahnwitzes treten bei dieser Literatur tatsächlich die Figuren klar zu Tage, auch wenn man sie zwischendurch nicht nur doppelt sondern tres sieht.

Eduardo del Llano, Drei. Roman. A. d. kuban. Span. von Kathrin Bielowski. [Orig.: Tres]. Mit einer Nachbemerkung von Helmut Groschup.
Innsbruck: Skarabaeus Verlag 2006. 163 Seiten. EUR 16,90. ISBN 978-3-7082-3206-5.

 

Weiterführende Links:
Skarabäus-Verlag: Eduardo del Llano, Drei
Wikipedia: Eduardo del Llano (engl.)

 

Helmuth Schönauer, 27-06-2006

Bibliographie

AutorIn

Eduardo del Llano

Buchtitel

Drei

Originaltitel

Tres

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Skarabaeus Verlag

Übersetzung

Kathrin Bielowski

Seitenzahl

163

Preis in EUR

EUR 16,90

ISBN

978-3-7082-3206-5

Kurzbiographie AutorIn

Eduardo del Llano, geb. 1962 in Moskau, lebt in Havanna/Cuba.