Barbara Ehrenreich, qualifiziert & arbeitslos

Üblicherweise dienen Ratgeber dazu, das Leben zu verbessern und der Lesekundschaft Trost zu spenden. Das Entlarvungsbuch von Barbara Ehrenreich freilich berichtet davon, wie die besten Ratschläge im Sand versinken und der User als unerwünschter Trottel in der Arbeitswelt übrig bleibt.

Wir ahnen es ja alle, dass sich zwischen den schönen Worten der spritzig flinken Arbeitswelt und der Realität von verschwundenen Arbeitsplätzen eine riesige Kluft aufgetan hat. Längst gilt die Faustregel, wonach jemand nur dann erfolgreich ist, wenn er den Arbeitsplatz eines anderen vernichtet. Ein Manager kann sich nur so lange im Sattel halten, als er permanent Arbeitsplätze streicht, hat er alle Arbeitsplätze gekillt, ist er selbst fällig.

Was bleibt, ist ein Heer von hoch ausgebildeten Arbeitslosen, die mit diversen Schulungen und Trainings vertröstet werden, bis sie glauben, dass sie an ihrer Arbeitslosigkeit selbst schuld sind. Für diese gedemütigten aber mit Resthoffnung ausgestatteten Menschen gibt es jede Menge Coachs und Kurse.

Die verrücktesten Angebote sind Networking, Überlebenstraining, Erlösungskult und permanente Zielnachjustierung. Letztlich funktioniert gar nichts, außer dass sich die Spirale der Abwärtsmobilität immer schneller dreht. Beim Networking stellt sich nämlich heraus, dass es nichts nützt, wenn einander die Arbeitslosen kennen, ein ganzer Kurs voller Arbeitsloser schafft letztlich keinen einzigen Arbeitsplatz, Networking hin oder her.

Das Überlebenstraining ist etwas, was an das Survival von Managern erinnert, viel kostet, aber nichts bringt. Mit dem Lebensstil von Robinson versuchen die Kunden sich selbst über Wasser zu halten und mit primitiven Glaubenssätzen eine komplizierte Welt zu begreifen. Wer in der Arbeitswelt auf Gott oder einen vorgeschalteten Erlöser wartet, sitzt einfach im falschen Bahnhof.

Barbara Ehrenreich hat diese Strategien im Selbstversuch getestet, unter dem Deckmantel einer neuen Identität ist es ihr zwar nicht gelungen, zu einem passablen Vorstellungsgespräch vorgelassen zu werden, aber ihre Erfahrungen sind für die Leser äußerst hilfreich. Nach der Lektüre dieses Buchses nämlich wird man äußerst hellhörig, was den Wortschatz der Arbeitsplatzkiller betrifft, alles, was glatt formuliert ist, hat einen Widerhaken, es ist schlicht gelogen.

Wahrscheinlich sind Sarkasmus und Zynismus die beste Antwort auf die Bewerbungswüste.

Barbara Ehrenreich, qualifiziert & arbeitslos. Eine Irrfahrt durch die Bewerbungswüste. A. d. Amerikan. von Gabriele Gockel und Sonja Schuhmacher. [Orig.: „suBait an Switch. The (Futile) Purit of the American Dream“, 2005]
München: Antje Kunstmann 2006. 256 Seiten. 19.90 EUR. ISBN 978-3-88897-436-6

Weiterführende Links:
Verlag Antje Kunstmann: Barbara Ehrenreich, qualifiziert und arbeitslos
Homepage: Barbara Ehrenreich

Helmuth Schönauer, 04-10-2006