Christian Popescu, Familie Popescu

Buch-CoverManchen Texten kennt man das pfiffig-geniale quasi in jedem Satz an, je gewöhnlicher oft die Themenwahl ausfällt, umso aufregender werden diese Konzeptionen.

Ausgestattet mit einem frühen Tod unter ungeklärten Umständen, im nahezu klassischen Heroenalter von fünfunddreißig Jahren, haften natürlich Christian Popescu geniale Züge an, zumal die Texte disparat erschienen sind, und einige Texte bis zu dieser aktuellen zweisprachigen Procura-Edition nicht einmal im rumänischen Original zugänglich gewesen sind.

In der Sammlung „Familie Popescu“ hat Daniel Banulescu jetzt seinem Freund eine würdige Erinnerungstafel gesetzt, indem er an die Zyklen „Familie“, „Straßenbahn“ und „Schrei“ ein Nachwort der passenden Art anfügt. In diesem gespenstischen Text aus Nachlassfragmenten ist unter anderem jener skurrile Lebenslauf enthalten, der die Methode von Zeitsturz, Zeitraffer und Überschreitung der Logik bestens dokumentiert.

So erklingen schon während Popescu im Mutterleib sitzt, wonnigliche Akkordeon-Töne, die anscheinend seine Poesie ein Leben lang begleiten. Das Kleinkind sitzt später Nacht für Nacht am Bett des Vaters und klaut seine Träume, die ersten Gedichte werden an die Klotüre geschrieben, plötzlich wird der Autor fünfundachtzig Jahre alt und verpasst allen seinen Büchern Elektroschocks. Schließlich verliert sich das Genie entlang eines Straßenbahngeleises und wird nie mehr zurückkommen.

Was hier in dieser Hyper-Biographie aus der Glätte eines Lebens eckt, sind die Macken, mit denen Popescu seine Texte jeweils aufbockt in eine höhere Art der Wahrnehmung.

Mutter ist immer besorgt. Wenn ich das Brot anschneide, verbindet sie es, wenn ich es breche, gipst sie es. (23)

Es mag viele Popescus auf der Welt geben, aber noch viel mehr Popescus waren und werden im Jenseits sein. Dort und nur dort wird mein Buch sich seines wahren Erfolges freuen können. (79)

Mein Lachnerv und mein Weinnerv waren unverzüglich an den elektrischen Strom angeschlossen worden, an den Schalter. Und im Rhythmus der Uhr drückte jemand auf den Knopf, im Rhythmus der Uhr löste jemand das Gelächter aus, den elektrischen Strom. Im Marschrhythmus. (139)

Die Figuren bemühen sich offensichtlich etwas Schelmisches wie Mister Schweijk auf die Bühne der Bürokratie zu bringen. Aber das dürfte der große Unterschied sein, während man den tschechischen Wahnsinn mit der Methode Kafkas auf die Zeilen kriegen kann, flippt der rumänische Dracula ständig in eine unbarmherzigere Welt über, was bleibt, ist das Gelächter unter Stromstößen.

Christian Popescu, Familie Popescu. Rumänisch / Deutsch. A. d. Rumän. von Ernest Wichner.
Lana, Wien: edition per procura 2006, ( = abrasch 8 ), 193 Seiten, EUR 15,00,  ISBN 978-3901118-54-8

 

Weiterführende Links:
Edition-Per-Procura: Christian Popescu, Familie Popescu

 

Helmuth Schönauer, 13-11-2006

Bibliographie

AutorIn

Christian Popescu

Buchtitel

Familie Popescu

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

edition per procura

Übersetzung

Ernest Wichner

Seitenzahl

193

Preis in EUR

15,00

ISBN

978-3901118-54-8

Kurzbiographie AutorIn

Christian Popescu, geb. 1959 in Bukarest, starb 1995 aus ungeklärter Ursache.