Peter Pessl, Die Dakini-Dialoge

Buch-CoverManchmal geht auch die Fiktion auf Expedition und kehrt mit einem Rucksack voller Kultgegenstände und semantisch frisch kolorierter Bilder auf den Europäischen Kontinent zurück.

Peter Pessl schickt seine Fiktion in den Himalaya, er selbst ist natürlich auch dabei und zeichnet zwischendurch Stimmungen, Lagepläne und morphologische Extremkonstellationen. Rein äußerlich handelt es sich um eine Reise in den Norden Indiens, an der Grenze zu Tibet liegt das Spiti-Tal und dort werden die Dakini-Dialoge abgehört und ausgeführt.

Dakini bedeutet in Sanskrit „Himmelswandlerin“, die Dakini-Dialoge sind folglich die Gespräche zwischen einem Reisenden und einer Himmelswandlerin, wobei die Reise über Jahrhunderte geht. So kommen das Göttliche, das Spirituelle, Kommentare und Praktiken mehr oder weniger gleichrangig und gleichzeitig zum Anklang.

Im Text liegen archaische Begriffe aus der Zeit von Filzstiefeln und bemoosten Umhängen unverfroren gleichberechtigt neben modernen Kaufhaus-Insignien mit dem Status von Sonderangeboten und Ritualen des Konsums. Das Ich kann eine Reisefigur sein, aber auch ein Stück belesener Body, mit dem etwa der italienische Schriftsteller Pavese in Dispute eintritt.

Es gibt eine nächste Kurve, von allem was es tatsächlich gibt. (34)

Die Dialoge brechen jäh und spontan los, sie haben Ähnlichkeiten mit Wetterumschwüngen und Lawinenabgängen, über welche es auch nur vage Prognosen gibt, deren Auswirkungen aber immer imposant, wenn nicht gar katastrophal ausfallen.

In die Dialogszenen sind in fetterer Schrift fingierte Tagebucheintragungen des Reisenden eingeritzt, Zeichnungen erhöhen die Glaubwürdigkeit, obwohl diese Skizzen oft nichts darstellen als ein Stück Meditation.

Das Vokabular ist europäisch und praktisch, aber die Satzstellungen werden aufgelöst in mantra-ähnliche Schleifen ohne Zeitausgang, und stracks erscheinen Gottheiten wie wöchentliche Sonderangebote für Aldi. Der Leser ist vor einer jähen Verquickung von sakral und säkularisiert, meditativ und trashig, rituell und trendig niemals sicher.

Peter Pessl ist ein schöner Reisebericht in einen anderen Zustand gelungen, der Leser bestimmt die jeweilige Neigung des Informationshanges, von dem ständig Material abgeht. Über weite Strecken gleicht der Text den fuzzigen Aufzeichnungen von Entdeckern, die oft mit erfrorenen Fingern die Erkenntnis zu verstümmelten Aufzeichnungen zusammengeschrieben haben. Und zwischendrin erklingen immer wieder diese tibetanischen Töne, auf welche intellektualisierte Westeuropäer momentan auf allen Linien abfahren. Bei Peter Pessl freilich sind genügend ironische Untertöne der Befreiuung dabei.

Peter Pessl,Die Dakini-Dialoge. Aufzeichnungen aus dem Himalaya.
Klagenfurt: Ritter 2006. 114 Seiten. EUR 13,90. ISBN 978-3-85415-397-9

 

Weiterführende Links:
Ritterbooks: Peter Pessl, Die Dakini-Dialoge
Wikipedia: Peter Pessl

Bibliographie

AutorIn

Peter Pessl

Buchtitel

Die Dakini-Dialoge. Aufzeichnungen aus dem Himalaya

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Ritter

Seitenzahl

114

Preis in EUR

13,90

ISBN

978-3-85415-397-9

Kurzbiographie AutorIn

Peter Pessl, geb. 1963 in Frankfurt, lebt in Wien.