Geschichte | Politik

Walter Kohl, Out Demons Out

h.schoenauer - 22.02.2019

walter kohl, out demons outSo um 1980 herum haben die damals sechzigjährigen Autoren in ihren aktuellen Romanen wie verrückt ihren Vater gesucht. Momentan versuchen die jetzt sechzigjährigen Kunden des Beats und der psychodelischen Musik mit ihren Bands von damals ins Reine zu kommen. Wahrscheinlich ist das nur eine andere Art von Vatersuche.

Walter Kohl hat seinen ursprünglichen Plan, als saugender Fan von damals eine Biographie über die Edgar Broughton Band zu verfassen, sublimiert, indem er einen mehrschichtigen Roman über Träume, Altwerden, Dorfleben und das Nichts in England und Österreich geschrieben hat.

Hamed Abdel-Samad, Integration - Ein Protokoll des Scheiterns

andreas.markt-huter - 18.02.2019

hamed abdel-samad_integration„Überspitzt formuliert könnte man sagen: Nach all den Bemühungen, Konferenzen und Integrationsprojekten, sind vor allem der politische Islam und die Kultur des Patriarchats in Deutschland gut integriert, und das mit staatlicher und kirchlicher Unterstützung.“ (S. 18)

Hamed Abdel-Samad zeigt auf weshalb es gerade muslimischen Migranten so schwerfällt, sich in die europäische Gesellschaft und Kultur zu integrieren. Dabei wird auf die politischen und gesellschaftlichen Versäumnisse im Bereich der Integration während der letzten Jahrzehnte hingewiesen und darauf hingewiesen, dass Integrationen „keine Einbahnstraße“ ist und beide Seite es wollen und etwas dafür tun müssen.

Hans-Joachim Schönknecht Mythos - Wissenschaft - Philosophie

andreas.markt-huter - 11.02.2019

hans-joachim schönkneckt, Mythos Wissenschaft„In der ersten Hälfte des 6. Jh. v. Chr. ereignete sich in einer Küstenstadt Groß-Griechenlands ein Vorgang von weitreichender, ja man darf sagen: von welthistorischer Bedeutung, »eine geistesgeschichtliche Revolution unerhörten Ausmaßes« deren Auswirkungen allerdings erst mehr als zweitausend Jahre später zu voller Geltung kommen.“ (Bd. 1, S. 13)

Hans-Joachim Schönknecht verfolgt in seiner auf drei Bände ausgelegten Arbeit das Ziel, den Ursprung und die Entstehungsgeschichte wissenschaftlichen Denkens zu erforschen. Dabei fokussiert er seinen Blick auf die Philosophie und Naturwissenschaften in ihren Anfängen bei den griechischen Naturphilosophen und deren kulturellen Grundlage bei Homer und Hesiod.

Sonja Unterpertinger, „Doch ist nicht alles Erinnerung, was ich schreibe?“

h.schoenauer - 08.02.2019

sonja unterpertinger, erinnerungBeim Vorlesen lässt sich oft schwer feststellen, wer den größeren Genuss hat. Ist es die vorlesende Person oder die lauschende? Ähnliches passiert beim Erinnern, wer hat den größeren Nutzen? Jemand, der durch das Erinnern mit sich selbst ins Reine kommt, oder jemand, der durch die erinnerte Geschichte mit einer anderen Welt vertraut gemacht wird?

Zur Jahrhundertwende ist das Erzählen von Geschichten von „kleinen Leuten“ in den Fokus der Geschichtsforschung getreten. Plötzlich dürfen auch Frauen ein Schicksal haben, Arbeiterinnen, Bäuerinnen. Ergebnis dieser Aufbruchsstimmung des Erzählens sind Autobiographien, die allerorten diskutiert werden.

Monika Czernin / Jean-Pierre Lavandier, Maria Theresia - Liebet mich immer

andreas.markt-huter - 28.01.2019

monika czernin, maria_theresia„Gewiss, alles deutete längst darauf hin, dass es sich um einen kostbaren Fund handelt, allein die schiere Masse der Briefe, dieser dicke Stapel an Handschriften. Fast alles aus einer Feder! Aber dass es sich um längst vergessene Briefe von Maria Theresia, der einzigen Frau auf Habsburgs Thron, an die Mutter jenes Patenkindes handelt, ist eine Sensation, ein Geschenk des Zufalls …“ (S. 8)

Mehr als 150 Jahre lagern Stapel von Briefen in einem großen Schrank auf Schloss Tratzberg in Tirol. Dorthin gebracht wurden von Graf Franz Enzenberg, der das Schloss 1847 gekauft hatte. Dessen Vater war ein Patenkind Maria Theresias und die Briefe waren an seine Großmutter Sophie Enzenberg geschrieben, Briefe Kaiserin Maria Theresias an ihre beste Freundin.

Hans K. Stöckl, Es ist alles ganz vielfach

h.schoenauer - 14.01.2019

Hans K. Stöckl, Es ist alles ganz einfachEndlich hat ein Autor in einem klaren Satz zum Ausdruck gebracht, was einen ehemaligen Bundeskanzler wegen der Komplexität der Dinge in den schieren Wahnsinn getrieben hat.

Der Karikaturist und Satiriker Hans K. Stöckl bringt sein Erklärungsmodell der Welt auf die Kurzformel: Es ist alles ganz vielfach.

Elias Schneitter (Hg.): Zirl. Heimat

h.schoenauer - 11.01.2019

Elias Schneitter, Zirl. HeimatAls die heikelste Form, etwas zu erzählen, gilt jene, es über das Heimat-Buch zu betreiben. In seinem Heimatort nämlich ist jeder ein großer Erzähler, aber es gibt kaum Zuhörer. So löst ein Heimat-Buch immer große Diskussionen aus, ob auch alle Geschichten drin sind, ob sie richtig erzählt sind, ob die Namen richtig gedruckt sind und vor allem, ob auch niemand vergessen worden ist.

Der Schriftsteller Elias Schneitter löst diese Probleme elegant, indem er das Heimatbuch zergliedert. Teil eins, zwei und drei sind schon erschienen, der aktuelle Band lässt sich nur lesen, wenn man zuvor die drei früheren Herausgeber Norbert Prantl, Benjamin Flöß und Anton Schnaiter mit ihren Werken gewürdigt hat.

Rainer Juriatti, Die werten Herren

h.schoenauer - 03.01.2019

Rainer Juriatti, die werten herrenGute Essays haben eine Kraft, mit der sie die Leserschaft in den Ringkampf der Gedanken zwingen mit ungewissem Ausgang. Im Essay hat letztlich der Leser recht, wenn er sich mit den Argumenten des Textes auseinandergesetzt hat.

Rainer Juriatti greift die Unruhe auf, die anlässlich des Jahrhundertwahlkampfes um die österreichische Bundespräsidentschaft 2016 dem Land noch nie gehörte Floskeln und Argumentationen beschert hat. In einem Umhüllungsessay stellt der Autor seinen Umgang mit dem Stoff in Lektürenotizen und Assoziationen vor, ehe dann im Kern als Theatermonolog ein Delinquenten-Ich auftritt, das die „werten Herren“ fragt, wie sie zu so einer menschenverachtenden Haltung kommen.

Oleksandr Irwanez, Pralinen vom roten Stern

h.schoenauer - 29.12.2018

irwanez, pralinen vom roten sternEin makabrer Stoff setzt sich erst in Romanen ab und dann in der Politik. So entsteht das Phänomen, dass Romane zuerst wie aus einer anderen Welt erscheinen und später zur allgemeinen Wirklichkeit werden, als ob sie in realiter verfilmt wären.

Oleksandr Irwanez, Mitglied der legendären ukrainischen Literatur-Gruppe BuBaBu, veröffentlicht 2001 den Roman „Mauer“ in einer Untergrundedition. Da ist die Ukraine noch unversehrt und zumindest geographisch ein von allen akzeptiertes Gebilde. Im Roman geht freilich eine Mauer durch die Stadt Riwne wie einst durch Berlin. Im Westen der Ukraine nämlich hat sich die WUR etabliert (Westukrainische Republik) und im Osten ist die Republik in ein großes Retro der Sowjet-Zeit gefallen. Der Roman erzählt also scharfsinnig prognostisch den Zustand von 2017, nur dass die Gebietsaufteilung seitenverkehrt ist.

Hubert Flattinger, Kindheit in Hötting

h.schoenauer - 17.12.2018

hubert flattinger_kindheit in höttingJede Stadt hat eine sogenannte Ur-Zelle, die als besonders authentisch und ungebrochen gilt. In Innsbruck nimmt Hötting dieses Privileg in Anspruch, und tischt dabei eine besonders deftige Sprache auf, womit die Grundbedürfnisse des Menschen mit beinahe tierisch-einfachen Lauten abgedeckt werden können. Wer sich am Bahnhof Hötting ein Ticket ausdruckt, wird über das international anspruchsvolle „Hotting“ erstaunt sein, es geht zumindest am Bahnhof heute noch heiß her in diesem Stadtteil.

Der Kinder- und Jugendbuchautor Hubert Flattinger inszeniert seinen Rundgang durch den Stadtteil seiner Kindheit mit einem Erinnerungsflash. Er trifft auf ein altes Gesicht, unter dem der Freund aus Kindheitstagen Willi verborgen ist. Und Willi erkennt im gealterten Gesicht des Erzählers jenen Popi mit dem er einst durch alle Zaunlöcher Höttings geschlüpft ist.