Lyrik

Sepp Mall, Schläft ein Lied

h.schoenauer - 25.02.2015

Was bleibt an Nachbildern, wenn man schnell die Augen vor der Realität verschließt? - Es bleibt die Kindheit, der Acker, auf dem sich Pflanzen und Kinder tummeln, die Stube, die die Jahreszeiten hinaus sperrt, es bleiben zwei drei Schafe, die unvermittelt auf der Schreibtischplatte auftauchen.

Sepp Mall braucht wie ein genialer Musiker nur zwei drei Handgriffe, um mit  unverwechselbaren Riffs seine Lyrik zum Klingen zu bringen.

Aurelia Seidl-Todt, was so gut anfing

h.schoenauer - 19.01.2015

Halbsätze kommen den Lesern verführerisch entgegen, indem sie einladen, den Halbsatz zu vervollständigen nach Laune und Wissenstand.

Aurelia Seidl-Todt stellt so einen Halbsatz als Motto über ihren Gedichtband, „was so gut anfing“ zeigt schon das Lauernde, dass es vielleicht nicht gut ausgegangen ist oder dass schließlich etwas ganz anderes zum Vorschein gekommen ist.

U. Elisabeth Sarcletti, such.spuren

h.schoenauer - 28.11.2014

Spuren dünnen immer wieder aus, verlaufen im Weiß des Sehfeldes oder ändern die Spurweite. In einem Gedichtband laufen diese Fährten sporadisch vor dem Leser ab, zwischendurch ist das Ziel sofort einsichtig, dann wieder verliert es sich, um vielleicht gar nicht mehr aufzutauchen.

U. Elisabeth Sarcletti setzt in vier lyrischen Bewegungen an, diese filigranen Abbilder von Fugen, Alltagsspänen und Empfindungspartikeln „auf die Reihe zu kriegen“. Den Kapiteln ist jeweils eine stilisierte Bild-Vignette beigesetzt, wo ein Netz selbständig an Land geht, ein Schleier sich zu einer Linie verkrümmt oder eine Frostvase zu einem Kelch ausblüht.

Alois Reiter, erden

h.schoenauer - 26.10.2014

Literatur entsteht durchaus aus den unsichtbaren Rissen, die durch jede Gesellschaft verlaufen und an denen sich der Feinfühlige ansiedelt, um zu überleben.

Alois Reiter ist nach mannigfaltigen Berufen in der Stadt letztlich ins Mühlviertel aufgebrochen und zertifizierter Biobauer geworden. Zu einem Schlüsselerlebnis wird ihm jener unfreundliche Akt diverser Mitbewohner, die ihm eines Tages in Wurzelreichweite seines Biotops alte Asphalte von demontierten Straßen zu Füssen legen.

Jürg Amann, Lebenslang Vogelzug

h.schoenauer - 18.09.2014

In der Literatur gibt es letztlich nur zwei Themen: Liebe und Tod. Wenn das Leben ausgeistert, fällt alles ab und diese beiden bleiben übrig.

Jürg Amann hat seinen letzten Gedichtband noch selbst geordnet, während er an dieser Schwelle zwischen Leben und Tod seine Gedichte sortiert hat. Die Themen dieses schmalen Werkes sind dann auch die herbstliche Liebe, Aufrufe, Gebete und Fragment-Sätze, und schließlich der pure Tod.

Sabine Gruber, Zu Ende gebaut ist nie

h.schoenauer - 07.08.2014

Lyrik ist nicht nur der Text, der irgendwie zu den Leserinnen durchdringt, sondern vor allem das Ambiente, die Darbietungsform, das Weiße zwischen den Zeilen, das Haptische zwischen den Fingern, der Klang, der beim Umblättern entsteht.

Sabine Grubers minimalistisches Gedichtbändchen „Zu Ende gebaut ist nie“ erfüllt alle diese Voraussetzungen, um einen Abend der Unvergesslichkeit zu bescheren. Denn ähnlich wie ein imposanter Kino- oder Restaurantbesuch beschert ein Abend mit einem Lyrikband vor allem eine positive Markierung im eigenen Lebensablauf. Eine gelungene Lektüre zerteilt die Zeit in vorher und nachher.

Richard Wall, Streith

h.schoenauer - 27.07.2014

Neben esoterischen Legenden, wo „Streith“ eine Art Gemüts-Materie ist, findet man unter Streith vor allem eine Geländeparzelle auf halbem Weg von Großgerungs nach Großpertholz. Wem diese Groß-Orte zu unbekannt sind, sie liegen im Großraum Weitra /NÖ.

Richard Wall sucht seine Gedichte oft in historisch entlegenen, zu Steinfeldern zerlegten Flecken weitab von den Koordinaten der Überland-Navis. Das lyrische Ich taucht jäh auf einer Lichtung auf, pflückt archaisches Werkzeug aus dem Boden und hackt eine Ansicht frei.

Andrea Zanzotto, Dorfspiel

h.schoenauer - 29.06.2014

Wie kann man einen ungewöhnlichen Lyriker in einer kleinen Schau präsentieren, ohne dass sein Werk zurückgestutzt wird auf die Erfordernisse der modernen Editionskultur?

Unter der geistigen Schutzmacht der Bücherwürmer Lana wird der Lyriker Andrea Zanzotto in einem „kleinen Buch außerhalb der Reihe“ vorgestellt.

Wolfgang Hermann, Schatten auf dem Weg durch den Bernsteinwald

andreas.markt-huter - 22.06.2014

Das lyrische Programm eines Autors zeigt sich selbstverständlich in seinen Gedichten, andererseits in poetischen Formeln, die wie Spruchbänder den Gedichtsammlungen überschrieben sind. „Er wollte Gedankenmaschinen bauen, die von solcher Eleganz und Vollkommenheit, im Übrigen ohne jeden praktischen Zweck waren, dass es auch unnötig war, sie zu materialisieren.“ (5)

Nach diesem Konzept entwickelt Wolfgang Hermann seine Gedichte, die oft nur der Bauplan eines Gedichtes sind, das vielleicht der Leser materialisieren muss, indem er es ausspricht oder seine Gedanken als geschmeidige Verstärkung eines Konstruktes hinzufügt.

Neeli Cherkovski, Fallendes Licht

h.schoenauer - 08.06.2014

Die raren Gedichtbände beinahe schon verlorengegangener Lyrik-Helden gleichen unauffälligen Meteoriten: Während Gras über ihren Einschlagkrater wächst, beginnen sie aus der schwarzen Antimaterie heraus zu funkeln.

Neeli Cherkovski, der alte Haudegen aus der kleinen Schar der Ur-Beatniks, hat mit seinem Band „Falling Light“ einen solchen Meteoriten nach Europa gesandt, wo er in der Übersetzung „Fallendes Licht“ im kleinen Zirler Verlag BAES gelandet ist.