Buch-CoverDas klarste Lebensprogramm, das sich überhaupt ausdenken lässt, heißt schlicht: Weiter! Dieses kurze Ermunterungswort ist vermutlich stärker als jede Religion, Ethik oder Psychotherapie.

Schon Rolf Dieter Brinkmann hat vor etwa dreißig Jahren mit seinem berühmten Gedicht „Alles macht weiter“ einer ganzen Generation Mut zugesprochen. Darin hat er so beruhigende Gedankenschlieren verfasst wie etwa: „Die Geschichtenerzähler machen weiter, die Regierungen machen weiter, die Vorstädte machen weiter, das Papier macht weiter.“

Buch-CoverEfeu, Georgenhof, drei Kühe, drei Schweine, Blaubeeren, ein nachdenklicher Pole und zwei muntere Ukrainerinnen – wir befinden uns punktgenau 1945 unweit von Mitkau, einer kleinen Stadt in Ostpreußen.

Zugegeben, so setzen romantisch große Romane ein, mit jeder Fügung ist klar, dass es sich hier um den großen Erzählgestus von würdiger Erinnerungsliteratur handelt, zwischen den Zeilen schaut uns der Text mit großen Germanistenaugen an und nickt uns zu: Du bist ein guter Leser, wenn du diesen Roman liest!

Buch-CoverWas der Schäferroman für das Barock ist, ist der Kriminalroman für die Gegenwart. In beiden Fällen soll nach vorgegebenen Erzählritualen atemlose Spannung zeitgemäß aus den Seiten knistern.

Für jeden Autor stellt die erzählte Kriminalkunst die höchste Herausforderung dar. Der junge Schriftsteller Martin Kolozs hat sich zum Eintritt in seine aktive Erzähllaufbahn gleich auf zwei Kriminalerzählungen gestürzt und auf allen Linien gewonnen.

Buch-CoverUnter einem saftigen Schäferroman versteht man etwas lieblich Schönes, die Figuren zeigen mit den Fingern aufeinander und machen dabei stille Erotik, die Landschaft ist fruchtig, Schönwetter ist angesagt und als Leser erlebt man Seitenweise Happyness.

Für Matthias Schönweger ist diese Vorgabe natürlich der ideale Ort, um einen Südtirol-Roman darin zu installieren, gilt doch Südtirol zumindest in Wort, Bild und Vorstellung als das Paradies. Freilich wäre Schönweger nicht Schönweger, wenn er diesem glatten Begriff Schäferroman nicht noch einen glitschigen Hintersinn verpasst hätte, wie ja auch eine gute Seife immer hinten und vorne flutschig und rein ist. Dieser Schäferroman handelt im konkreten Fall von den Schafen, die von einem guten Hirten belehrt und geführt werden.

Buch-CoverBotschafterromane haben immer etwas Skurriles an sich. Da ist zum einen die abgehobene Sprache, mit der sich Diplomaten gegenseitig die Nasenkrümel aus der Semantik ziehen, und zum anderen das Elitebewusstsein, wo immer ein Botschafter auch ist, er hält sich in einem sozial besonders ätherischen Areal auf.

Frisch wie Gemüse aus Bulgarien trifft Varadin Dimitrov in seiner Botschaft in London ein. Er soll den kulturellen Anschluss Bulgariens an die westliche Welt ermöglichen und hat eine Wahnsinnserrungenschaft in seinem Gepäck. Das erste WC der Welt wurde in Bulgarien entwickelt. Quasi als Einstandsgeschenk soll diese Leistung der Kunstwelt des Westens in einer Hommage-Installation dargeboten werden.

Buch-CoverIm Beatles-Song über Eleanor Rigby klaubt ein Mauerblümchen in der Kirche den Reis auf, den eine Hochzeitsgesellschaft ausgestreut hat. Seither steht dieser Name für eine Frau, die von jenen Glücksbrosamen leben muss, welche die anderen übrig gelassen haben.

Bei Douglas Coupland ist die 36-jährige Liz Dunn diese stille Außenseiterin. Mit viel Körperfett hat sie sich von der Außenwelt abgeschottet und schiebt ihr Leben als unauffälligen Trabanten durch Vancouver. Ihr Leben ist nur zweimal von einem Deep Impact heimgesucht worden.

Buch-CoverDer dritte „Käfer-Roman“, nach „Die Villen der Frau Hüsch“ und „Die Schattenuhr“, wendet sich dem Narrentreiben im Ausseer Land zu. Alfred Komareks Käfer-Kosmos entfaltet sich zwischen Frost, Schnaps, Erotik und hüpfendem Zeitvertreib zu einem grotesken Provinzialismus.

Eine durchgängige Geschichte ist mehr oder weniger zufällig vorhanden, aber die Handlungsabläufe sind vor allem im Faschingstreiben am Lande ziemlich nebensächlich.

Buch-CoverLandpfarrer sind aus der Literatur nicht wegzudenken. In Vorabendserien tummeln sie sich als exotische Hochwürden über den Screen, im Unterhaltungsregal schmachten sie als Dornenvögel dahin, und im gestandenen Nachkriegsroman versuchen sie sich selbst, die Leser und das Abendland zu retten.

Bei Günther Loewit heißt der Landpfarre schlicht „Krippler“, das ist wohl eine volkstümliche Bezeichnung für jemanden, der mit der Krippe herumhantiert. Mit etwas schräger Hörlage hört man freilich auch einen Krüppel heraus und dankt dabei an eine feste Kartoffelsorte, die Kipfler genannt wird.

Buch-CoverDie Steigerung von Provinz ist österreichische Provinz. Harland ist ein diffuses urbanoides Nest, über dem sogar die Monde erkalten, während sie auf das irdische Desaster glotzen. Marek Miert schlägt sich als derangierter Privatdetektiv durch, manchmal wird er wegen seiner Diskontpreise zu einem Auftrag geholt.

Das soziale Gefüge ist sehr streng am flachen Land, der heruntergekommene Detektiv muss seine Auftraggeber in deren Büros aufsuchen, weil er selbst sich keine Kanzlei leisten kann. Der ekligste Name, den man sich denken kann ist Heider. Marek Miert kotzt beinahe, als ihn die Visitenkarte erreicht: Horst Heider, Parlamentarischer Mitarbeiter.

Buch-Cover„Diese Stadt hat nichts mehr zu verschenken. Es ist eine Stadt der Verluste. Es ist die Stadt der tausendundeinen Folterkammer. Stadt von Syphilis und Hooligans. Es wäre gut, sie dem Erdboden gleichzumachen. Wieder die dichten finnischen Wälder zu pflanzen, die es früher hier gab.“ (89/90)

Klar, diese Stadt kann nur Moskau sein, unregierbar längs zur Geschichte und quer zum Zeitgeist positioniert, anarchistisch üppig und dogmatisch kastriert, ein Unding, das letztlich nur eines produziert: Stoff und Stoff und Stoff für die Literatur.