Margit Weiß, Was man nicht sieht, ist doch da
Wenn eine zarte Pflanze verletzt wird, wächst sie geduckt und verwundet auf. – Diese Baumschulweisheit gilt erst recht für Kinder, die in Aufzucht-Institutionen rabiater Systeme unter die Räder gekommen sind. Margit Weiß erzählt vom zehnjährigen Hans Dakosta, der 1954 vom Unterricht abgeholt wird und ohne Wissen seiner Eltern in eine Erziehungsanstalt gesteckt wird. „Was man nicht sieht, ist doch da!“ – Diese Erfahrung, die der junge Held im Erziehungssystem der Tiroler Nachkriegszeit machen muss, wird zu einem leidvollen Leitsatz, mit dem der Held sich über Wasser zu halten versucht. Dabei ist auch diese Fügung schon wieder heimtückisch, denn im großen Schlafsaal der Anstalt spielt Bettnässen eine gewichtige Rolle.
Der Roman wird in elementaren Erziehungs-Sketches erzählt, die wie saure Halloween-Bonmots zu einer desaströsen Karriere aufgefädelt sind. Die einzelnen Kapitel sind jeweils um die Protagonisten angesiedelt, sodass sich die Möglichkeit ergibt, in das Innere der Bösewichte zu blicken, während sie ihren Frust am Helden abarbeiten.
Der sogenannte Lebensstil lässt sich oft kunstvoll zu einem Stillleben zusammenfassen, das sich als Bild oder Gedicht präsentiert. Andreas Pargger unternimmt im Lyrikband „Wie wir leben wollen“ gut fünfzig Anläufe, um sogenannte Lebensentwürfe auszuprobieren. Dabei poppen die Gedichte als Momentaufnahmen auf, in denen sich ein dramatischer Prozess ablesen lässt wie bei einem Poster, das einen besonderen Gestus einer Rolle in den Vordergrund stellt.
„Dieses Buch möchte eine wissenschaftlich fundierte, aber leicht lesbare Geschichte der Päpste für jedermann bieten. Es wird nichts schöngeredet, nicht nur in eine Richtung gedacht und auch nicht polemisiert, sondern versucht, möglichst objektiv die Geschichte der »Stellvertreter Christi auf Erden«, die durchaus eine Reihe von fragwürdigen, umstrittenen und zweifelhaften Gestalten aufweist, darzustellen.“ (S. 7)
Wahrscheinlich ist die perfekte Hülle gleichsam ihr Inhalt. Diese Vermutung taucht zumindest bei der Analyse des Web auf, wo kaum noch zwischen Content und Containment unterschieden wird. Georg Hasibeder geht mit seinem listigen Essay aus der Serie „Kultur der Dinge“ der Frage nach, was eigentlich eine Dose ist. Ist sie vielleicht der heimliche Sinn eines Produktes, wenn wir es in der Hand halten und inszeniert zum Mund führen, wie etwa den berühmten Energiedrink mit dem Stier drauf?
Wie kann man über etwas nachdenken, wenn einem der öffentliche Rummel keinen Platz dafür lässt? Wie kann die Kunst im Untergrund an der Oberfläche des Tagesgeschehens andocken, wenn keine Flächen dafür vorgesehen sind?
Im Idealfall treten die Genres Rezension und Kunstwerk gemeinsam auf. Etwas erscheint, und zeitlich nahe gibt es eine Reaktion darauf, was unter dem Überbegriff Rezension publiziert wird. Dieses Wechselspiel aus der analogen Zeit des Buchdrucks hat es im großen und ganzen auch ins digitale Zeitalter hineingeschafft, wo das Genre Rezension auf diversen Blogs, Foren und Plattformen beinahe unüberschaubar verstreut ist.
Selbstverständlich erwarten wir in der Geruchskultur, dass Parfum in Flacons abgefüllt ist und nicht im Tetrapack. In der Lesekultur freilich muten wir uns ständig lieblos abgefüllte Massenware zu, die wir in Files herumschicken oder uns als Paperback an den Kopf werfen.
Eine ironische Anspielung auf den Kubrick-Film „Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ (1964) liegt in der Luft, womit die Liebe etwas gefährlich Abschreckendes wäre wie die Atombombe im Kalten Krieg.
Selbst der rastlose Überflug durch Zeit und Raum hat im Augenblick seiner Gegenwart fixe Koordinaten, die eine „Heimat“ beschreiben. Geprägt ist dieser Augenblick durch dieses magisch zusammengeschmolzene Schlüsselwort „Hierorts.Bleiben.“
Nach dem Koma ist nur eines gewiss: Alles, was bei den Sinnesorganen hereinschaut, ist etwas Fremdes. Zwischen der Welt und dem Individuum fremdelt es.