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Elsbeth Wallnöfer, How to wear a Dirndl

h.schoenauer - 27.01.2025

elsbeth wallnöfer, how to wear a dirndlWenn etwas als Luftikus-Ereignis für gute Laune sorgen soll, steht es der Wissenschaft nicht gut an, durch tiefernste Forschung die Stimmung zu vermasseln. Das Dirndl ist ein Dresscode für gute Laune, Freizeit und ausgelassene Stimmung, das bevorzugte Einsatzgebiet ist das Münchner Oktoberfest, auf dem vermutlich niemand wegen seiner großer Gedanken unterwegs ist.

Elsbeth Wallnöfer kommentiert in ihrem kulturpolitischen Essay augenzwinkernd Geschichte und Kult rund um das Dirndl. Ohne moralische Belehrung ist ihr Ton wohltuend milde, der dem Themenfeld Tracht, Dirndl und Rustikalität zuteil wird.

Im besten Fall kommt der Jux als Originalzitat an die Oberfläche des Alltags, wenn etwa zwei Sexfilme genannt werden, die eine ganze Generation in den 1970ern aus dem Gewand geworfen haben. „Unterm Dirndl wird gejodelt“ (1973), „Liebesgrüße aus der Lederhose“ (1973).

Thomas Schafferer, SELBST. Porträt eines Künstlerlebens

h.schoenauer - 20.01.2025

thomas schafferer, selbstDas Jahr ist ein Teig, aus dem der Künstler unermüdlich seine Kekse heraussticht. Allmählich bildet sich daraus ein Selbst, eingespannt zwischen den Kunst-Schaffenden und den Kunst-Konsumierenden.

Thomas Schafferer arbeitet ein Jahr lang an seinem Selbst, indem er ein strenges Ritual entwickelt, wie der Zeitfluss in einzelne Tageskader aufgelöst werden kann. Im Archivwesen nennt man diese normierten Eingriffe in einen dynamischen Prozess „Formatismus“. Das Format bestimmt dabei den Inhalt, das Containment den Content.

Die Spielregel für SELBST ist als Installationsbeschreibung für eine Kunstaktion zu verstehen, worin Events, Ausstellungen, Lesungen, Buch und Archivierung zu einem Format vereinigt sind.

Eleonore Weber, Landkarte im Maßstab 1:1

h.schoenauer - 20.12.2024

elonore weber, landkarte im maßstab 1 zu 1Die größte Glaubwürdigkeit über die Verfasstheit einer Botschaft, Nachricht oder Erzählung erweckt die Zauberformel 1: 1. Nicht nur vor Gericht erweckt eine Aussage große Authentizität, wenn sie angeblich im Maßstab 1:1 wiedergegeben wird, auch in der Weltliteratur erreicht die Glaubwürdigkeit beim Erzählen ihren Peak, als Jorges Luis Borges von einer Landkarte 1:1 spricht, die durch ihre Maßzahl an Genauigkeit nicht übertroffen werden kann. Von dieser Überlegung leitet sich auch die These ab, dass die ideale Bibliothek eins zu eins der Welt entsprechen müsse, um sie abzubilden.

Eleonore Weber erweitert diesen Gedankengang mit ihrer Sammlung von zwölf Geschichten, die diesem magischen 1:1 unterworfen sind. Eine ideale Erzählung gleicht daher in ihrer Dauer dem erzählten Stoff, eine darin eingewobene ideale Zeichnung entspricht in Größe und Schraffur dem abgezeichneten Original, und auf der Netzhaut sollten Land und Karte den gleichen Reiz für das Gehirn auslösen.

Felix Philipp Ingold, Die Zeitinsel

h.schoenauer - 15.03.2024

felix philipp ingold, die zeitinselpätestens seit Daniel Defoe gilt ein entlegenes Eiland als ideale Erzählfläche, um darauf Lebens- und Weltentwürfe spielen zu lassen. Wenn diese Insel dann noch einer definitiven Zeit entrückt wird, indem quasi jede Zeit auf der Insel Platz hat, dann erweist sich die „Zeitinsel“ als höchst verdichtetes Material, das astrophysikalisch vielleicht an ein schwarzes Loch herankommt.

Felix Philipp Ingold konstruiert seine Zeitinsel als Kunstfläche, auf der sich Projekte, Biographien, Spintisierereien und Träume installieren lassen. Im Untertitel nennt er dieses Unterfangen „Stationenbericht“, es könnte also mit einer kultur-sportlichen Veranstaltung verglichen werden, auf der man sich während des Rundlaufs allerhand Stempel ins Lektüreheft stempeln lässt als Beleg, dass man die Stationen aufgesucht hat.

Albert Ennemoser, Geschichten und Bilder

h.schoenauer - 17.05.2023

albert ennemoser, gschichten und bilderIm Zeitalter der Digitalisierung ist es vielleicht die Hauptaufgabe eines Buches, haptisch unterwegs zu sein. Viele Sinneseindrücke lassen sich digital erregen, das taktile Aufschreien der Sensoren freilich, wenn Kunst auf den Körper trifft, lässt sich nur haptisch analog produzieren.

Albert Ennemoser ist in mehreren Genres und Künsten unterwegs. Seine „Geschichten und Bilder“ sind als eine Art Anleitung zum Gesamtwerk zu lesen. Aus diesem Grund erscheint das Buch mit zwei Bildern als Vorder- und Hintercover, die buchrelevanten Angaben nach Verlag, Autor und Titel sind auf den Buchrücken verschoben, wo sie letztlich den größten Nutzen entfalten, denn vom Buch sieht man meist nur das Rückgrat.

Jörg Waldhauser, Rondine

h.schoenauer - 14.04.2023

jörg waldhauser, rondineVor Jahrzehnten, als die Heranwachsenden noch hirnlos in den Tag hineinstudiern konnten und anschließend einen Job ins Maul geflogen bekamen, machte in Tirol ein seltsames Gerücht die Runde: In Hall sitzt in der Nudelfabrik während der Nacht ein Philosoph an der Pforte und sinniert während seiner Aufsicht über den Sinn der Welt nach.

Beim „Nacht-Denker“ handelt es sich um Jörg Waldhauser, der im aktuellen Jahrhundert durchaus anerkannt seine Gedankenrunden durch diverse Veranstaltungen dreht und stets ein aufgewühltes Gefühl bei den Angetörnten hinterlässt. Auch wenn man den Gedanken oft nicht nachfolgen oder gar zustimmen kann, so bleibt doch ein zarter Rüttler im Gedächtnis, wie wenn man einen Weidezaun (heute Wolfsmanagement) berührt hätte.
Diese Einschätzung zu Lebzeiten berücksichtigt jenen Teil der Literatur Jörg Waldhausers, die dieser als eine Art „philosophische Performance“ zur Anwendung brachte. Erst nach seinem Tod kamen die Schriften, Bilder und Materialien zum Vorschein, die als Nachlass seit 2019 im Brenner-Archiv sondiert werden.

Christian Grataloup, Die Geschichte der Welt - Ein Atlas

andreas.markt-huter - 16.01.2023

christina grataloup, die geschichte der welt - ein atlas„Die Grundidee dieses – auch international erfolgreichen Weltatlas ist es nicht, so viele historische Details wie möglich in eine Karte zu packen, sondern die großen Linien der Globalgeschichte von den Anfängen der Menschheit bis heute mit Hilfe von Karten zu veranschaulichen.“ (Umschlag)

Geschichtskarten stehen vor der großen Herausforderung, einzelne Regionen zu bestimmten Zeiträume präzise einzufangen und detailliert festzuhalten. Dabei erlaubt eine Karte kein vielleicht oder ungefähr, sondern nur die Genauigkeit einer Linie und festen Form. Der Zwang historische Annahmen, Entfernungen, Maßstäbe u.a. eindeutig festzuhalten, setzt ein besonders vielfältiges Expertenwissen und den kreativen Mut für Entscheidungen voraus.

Heinz A. Pachernegg, Auf Reisen

h.schoenauer - 21.12.2022

heinz pachernegg, auf reisenDer Tourismus ist an die Erfindung der Fotografie gekoppelt. Wo es nämlich nichts zu fotografieren gibt, hat es auch keinen Sinn, hinzufahren. Umgekehrt muss ein Fotograf ständig mit touristischer Geste unterwegs sein, will er seinen Pixelspeicher am Jahresende voll haben.

Heinz A. Pachernegg ist als Berufsfotograf und Fotoessayist viel „auf Reisen“ und kommt daher dem berühmten Beatnik-Motto „on the road“ sehr nahe, wonach Menschen, Wörter und Bilder ständig zu sich selbst unterwegs sind. Das Zusammenschmelzen dieser drei Bewegungskörper geschieht in der Pareidolie, wie Andrea Wolfmayr in ihrem Einleitungsessay bemerkt. Pareidolie bezeichnet das Phänomen, in Dingen und Mustern vermeintliche Gesichter und vertraute Wesen oder Gegenstände zu erkennen.

Peter Paul Wiplinger, "Schachteltexte III"

h.schoenauer - 29.07.2022

peter paul wiplinger, schachteltexte3Damit die Literatur aus dem Leben heraustreten und sich Luft verschaffen kann, braucht es zwei Beobachtungsschlitze: Durch den einen blickt man auf den anstehenden Tag, durch den anderen auf das verflossene Leben.

Peter Paul Wiplinger führt die beiden Suchbewegungen mit seinen Schachteltexten elegant und eindringlich zusammen. Seit fünfzehn Jahren arbeitet er an diesem einmaligen Dokument, wobei auf ausgeklappte und ausgerissene Verpackungsteile mit der Füllfeder Texte komponiert werden. Ein Auge blickt auf den aktuellen Zustand des schreibenden Ichs und das andere setzt sich den historischen Gezeiten von Kindheit bis zur Reife aus.

Hellmut Bruch, Licht und Unendlichkeit

h.schoenauer - 24.06.2022

hellmut bruch, licht und unendlichkeitAm besten liest man Bücher über Hellmut Bruch im Freien, denn die abgebildeten Zeichen und Texte brauchen Luft, um das zu ermöglichen, was den Künstler ausmacht: Progression.

Hellmut Bruch verdankt seine Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit der Realisierung von Progression. Diese mathematische Operation kann üblicherweise nur als Kalkulier-Maßnahme durchgeführt werden. Grob gesprochen handelt es sich dabei um einen Rechenvorgang, der als Ergebnis so etwas wie den goldenen Schnitt zu Tage fördert. Für das gemeine Volk ist die Progression unter dem coolen Ausdruck „Steuerprogression“ bekannt, dabei erhält der damit Beglückte immer weniger netto, je mehr er brutto arbeitet.