Gernot Werner Gruber, Die unglaubliche Reise des Bruder Luh, früher bekannt als Ötzi
Wenn man sogenannte Helden aus ihrer angestammten Zeit nimmt, werden sie oft milde bis lächerlich. Auf jeden Fall aber halten sie der jeweiligen Gegenwart einen trüben Spiegel vors zeitgenössische Antlitz.
Gernot Werner Gruber belebt mit seiner „Reanimo“-Trilogie den Ötzi. Indem er diesen in der Gegenwart auftauchen lässt, entlarvt er auch den aktuellen Ötzi-Kult. So wie man in einen Kult an jeder Stelle einsteigen kann, kann man es auch in der Ötzi-Trilogie. Das Personal nämlich bleibt überschaubar.
Was geschieht, wenn jemand im Märchenton „steckenbleibt“ und die kaputte Welt nur mit märchenhaften Satzformeln zusammenzukleben vermag?
Geschichten sind oft Destillate aus einem gewissen Zeitabschnitt, die Märchen hingegen mischen mit ihrer Zeitlosigkeit die jeweilige Epoche auf. Wenn man nun die Geschichten in die Zeit streut, kann man vielleicht sogar die Zeit verändern.
Ein utopischer Roman kann zeitlich und räumlich Lichtjahre entfernt sein, es wird in ihm doch die irdische Gegenwart erzählt, weil Autor und Leser nicht aus ihrer Haut können.
Ein makabrer Stoff setzt sich erst in Romanen ab und dann in der Politik. So entsteht das Phänomen, dass Romane zuerst wie aus einer anderen Welt erscheinen und später zur allgemeinen Wirklichkeit werden, als ob sie in realiter verfilmt wären.
Box ist eine fiktive Live-Show, dabei werden Paare in eine durchsichtige Box gesperrt, damit sie sich im Rahmen eines Erkennungsspieles vor der Kamera zerfleischen.
Die Literatur belohnt sich manchmal selbst, indem sie Prophezeiungen, tatsächlich eintreten lässt und eine Post-Dystopie daraus macht.
In der Konsumgesellschaft gibt es ein großes Tabu, nämlich das Ende der Dinge und Dienstleistungen zu denken.
Alles, nichts und beides sind radikale Mengenangaben, wo es keinen Nachlass oder Rabatt gibt. Alles, nichts und beides ist eine Überlebensformel, die für alle wesentlichen Themen in Frage kommt: Liebe, Tod, Bleiben, Weggehen.
Zukunftsprognosen werden meist von jener Stimmung getragen, die gerade in der Gegenwart als virulent empfunden werden. Prognostische Romane sagen also immer etwas über die Gegenwart aus.