Lautleseverfahren Teil 2: Bedeutung des Lautlesens im Klassenraum

LDer Begriff „Lautlesen“ ist im Klassenraum mit sehr viel Abneigung verbunden. Nicht nur die Schülerinnen und Schüler äußern sich gegen das Lautlesen, auch Lehrerinnen und Lehrer, die auf dem aktuellen Stand sind, sind unterrichtet worden, Schülerinnen und Schüler nicht zu oft bzw. nicht unvorbereitet Situationen auszusetzten, in denen sie laut lesen müssen.

Was nicht mehr passieren soll
Generell ist zu sagen, dass mit Lautlesen automatisch das Reihumlesen verbunden wird. Unter Reihumlesen, den meisten Lehrerinnen und Lehrern wohl bekannt, versteht man, dass ein unbekannter Text Satzweise erschlossen wird, indem jeder Schüler/jeder Schülerin nach der Reihe einen Satz liest. Die Reihenfolge der Leserinnen und Leser kann entweder der Lehrer bestimmen oder es liest einfach automatisch der Banknachbar weiter. Diese Methode kann auch zum Fehlerlesen umfunktioniert werden, indem ein Schüler/eine Schülerin so lange liest, bis er/sie den ersten Fehler macht.

Nix schreibt, dass es als Konsens gilt, „…dass das Reihumlesen keine positiven Auswirkungen auf die Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler zeitigt, sondern bei regelmäßigem Einsatz sogar die Entwicklung der Lesekompetenz hemmen kann.“ (Nix 2011, S.118; Rosebrock u.a. 2011, S. 26))

Die Probleme beim Reihumlesen sind folgende: Erstens ist die Lesezeit zu gering um einen Übungseffekt zu erzielen. Zweitens wird der Text nicht wiederholt gelesen, sodass kein Schüler/ keine Schülerin die Möglichkeit hat, sich zu verbessern. So kann auch kein Lerneffekt eintreten. Drittens fehlt, dadurch, dass jeder Schüler/ jeder Schülerin so konzentriert auf seinen Satz ist, für sie der Satzzusammenhang. Dementsprechend können weder Leseflüssigkeit noch Leseverständnis gefördert werden. Auch die Vorführung schwacher Leser vor der ganzen Klasse darf als Punkt vier nicht außer Acht gelassen werden. (vgl. Nix 2011, S. 118)

Vorlesen
Nicht nur das Reihumlesen, sondern auch das Vorlesen findet im Deutschunterricht Platz, allerdings unterscheidet es sich wieder vom Lautlesen. Unter dem Lautlesen versteht man eher „ein Lesen für sich selbst und eine Arbeit an der eigenen Lesefertigkeit“. (Nix 2011, S.115) Vorlesen von Texten hingegen vollzieht sich „im Rahmen mehrstelliger sozialer Kommunikationskonstellationen.“ (Nix 2011, S.115)

Das Vorlesen als Förderung der Lesekompetenz soll Auswirkungen auf die Lesemotivation haben, indem zum Beispiel ein spannender Lehrervortrag stattfindet. Durch den Lehrervortrag und professionell gelesene Hörbücher, wird allerdings vor allem die Hörfähigkeit verbessert. Weiter soll den Schülerinnen und Schülern vermittelt werden, wie man richtig und spannend erzählt. Diese Art der literarischen Vermittlung ist vor allem für Schülerinnen und Schüler wichtig, denen schwer fällt sich eigenständig mit Literatur zu beschäftigen, da ihre Lesekompetenz nicht ausreicht. In der angloamerikanischen Leseforschung hat man für diese Art des Vorlesens die Bezeichnung „read aloud to children“ gefunden. (vgl. Nix 2011, S. 116)

Für die Kinder stellt diese Art des Vorlesens eine Kunstform dar, denn damit man das beherrscht sind spezielles Wissen und Können von zwingender Wichtigkeit. Das Lautleseverfahren, mit dem ich mich in dieser Arbeit besonders beschäftige, setzt im Vergleich dazu viel weniger voraus. (vgl. Rosebrock u.a. 2011, S. 25)

Rosebrock, Nix, Rieckmann und Gold beschreiben das Lautlesen als „kleinschrittig-pragmatisch“ und das Vorlesen als „kunstvoll-expressiv“. (Rosebrock u.a. 2011, S.26) Die Lautlesemethode stellt so gesehen eine Trainingsart dar, mit welcher die Lesekompetenz gesteigert werden kann, sodass die Vorlesesituation bewältigbar ist. (vgl. Rosebrock u.a. 2011, S. 26)

Chorlesen
Auch das Chorlesen ist jedem ein Begriff. Allerdings ist diese Methode im deutschsprachigen Raum sehr unbeliebt. Verbunden wird mit diesem Begriff vor allem Drill.

Bei Chorlesen handelt es sich um eine Methode, bei der Kinder und Lehrer gemeinsam, im selben Tempo, denselbenText lesen oder die Schülerinnen und Schüler das vom Lehrer vorgelesen gemeinsam wiedergeben. Sehr beliebt war diese Methode Ende des 19. Jhdt. und zu Beginn des 20. Jhdt.

„Gemeinsames Lesen, Vorlesen und Nachlesen, Vorsagen und memorierendes Nachsagen im Dienste eines intendierten gedächtnismäßigen Einprägens und Übens stellte damals die elementare Grundlage des Leseunterrichts dar.“ (Rosebrock u.a. 2011, S. 31)

Wahrscheinlich ist auch diese verpönte Methode ein Grund für die Abneigung gegenüber dem lauten Lesen im Klassenraum. Allerdings hat das Lautlesen, das heute mittels verschiedenster Lautleseverfahren empfohlen wird, nichts mit dem Chorlesen zur Jahrhundertwende gemein. Der grundlegendste Unterschied ist wohl, dass das Chorlesen damals als Methode zum literarischen Lesen verstanden wurde. Heute wird das Chorlesen zwar nach wie vor so praktiziert, dass alle Schülerinnen und Schüler synchron dasselbe lesen, sie allerdings trainieren, um ihre Leseflüssigkeit zu verbessern. Das Ziel hat sich geändert. (vgl. Rosebrock u.a. 2011, S. 31)
 

Text: Julia Kostner

Artikelbild: Reinhold Embacher

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