Feridun Zaimoglu, Selbstverschwendung (in drei Bildern)

Poetik-Vorlesungen dienen wie alle Vorlesungen vor allem dazu, dass sich der Vortragende klar über seinen Stoff wird. Das aufgefädelte Publikum ist dann meist als Ansporn zu sehen, die Sache halbwegs verständlich vorzutragen.

Feridun Zaimoglu wählt für seine Stefan-Zeig-Poetik-Vorlesung in Salzburg die Methode des Revivals seiner drei wichtigsten Bücher. In der sogenannten Selbstverschwendung in drei Bildern erzählt er nicht nur die Rezeptionsgeschichte seiner Romane sondern versucht auch mit der Illusion aufzuräumen, dass sich durch die Darstellung eines Problems etwas verändern ließe.

Quasi aus dem nichts berühmt geworden ist Feridun Zaimoglu mit seinem „Kanak Sprak“ (1995), darin interviewt er in der Methode der Doku-Fiktion Personen, die zwischen den Sprachkulturen eingeklemmt sind. Eine Nachschau nach fast zwanzig Jahren zeigt, dass diesen Menschen das Verweilen in der Zwischenzone nicht gut bekommen ist.

Es lässt sich kaum aus der Randzone ausbrechen, und über die Literatur schon gar nicht, denn überall sind bürgerliche Geschichten ausgelegt, die jeglichen Zutritt von anders Denkenden verwehren. Und die Germanistik spielt wie immer eine böse Rolle. „Ich war Knetmasse in den Händen der Germanisten“ (14) fasst der Autor den Versuch zusammen, sich in „Kanak Sprak“ Gehör zu verschaffen.

Nicht minder verständnislos wird sein Roman „Hinterland“ aufgenommen. Darin beschreibt er ein märchenartiges Reich hinter den sieben Bergen, woraus immer wieder Menschen in die sogenannten Zentren der Realität vorstoßen, um dort vielleicht eine assimilierte Karriere zu machen. Die Fabel wird von vielen Menschen in Randlage verstanden von den Germanisten freilich abgelehnt, denn die Romantik ist eine deutsche Angelegenheit, ein Türke soll sich nicht in dieser Welt herumtreiben.

Der Romanheld „Ruß“ schließlich will als Kiosk-Mitbetreiber am Weihnachtsmarkt teilnehmen, bleibt aber mit seiner kulturellen Bemühen außen vor. „Die Realität ist eine mächtige Waffe“, heißt es abschließend.

Feridun Zaimoglu inszeniert seine Vorlesung als Mahlstrom der Metaebene, der über die Texte fließt. Als sprachmächtige Lava ergießt sich seine Unverdrossenheit und Zähigkeit über die Welt, in der sich der Autor selbst verschwendet.

Wahrscheinlich ist die Auflösung in der eigenen Literatur die einzige Möglichkeit als Autor zu überleben.

Ich gehe hinaus, werde zur Rauchgestalt, ich setze mich an die Schreibmaschine, ich verfestige mich, ich erstelle etwas täuschend Echtes. (67)

Auf die eigene Verfassung übertragen erzählen die drei Bilder vom verätzenden Ich, dem träumenden Ich und dem reißenden Muskel. So sieht sich der Autor nach Jahrzehnten des Schreibens vor seinem Poetikvorlesungspublikum angetreten.

Feridun Zaimoglu, Selbstverschwendung (in drei Bildern). Stefan-Zweig-Poetikvorlesung Band 2.
Wien: Sonderzahl 2014. 67 Seiten. EUR 14,00, ISBN 978-3-85449-409-6

 

Weiterführende Links:
Sonderzahl-Verlag: Feridun Zaimoglu, Selbstverschwendung
Wikipedia: Feridun Zaimoglu

 

Helmuth Schönauer, 04-02-2014

Bibliographie

AutorIn

Feridun Zaimoglu

Buchtitel

Selbstverschwendung (in drei Bildern)

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Sonderzahl Verlag

Reihe

Stefan-Zweig-Poetikvorlesung Band 2

Seitenzahl

67

Preis in EUR

14,00

ISBN

978-3-85449-409-6

Kurzbiographie AutorIn

Feridun Zaimoglu, geb. 1964 im anatolischen Bolu, lebt seit 35 Jahren in Deutschland.