Friedrich Hahn, Wie es im Buche steht

Ein Buch geht üblicherweise nach hinten oder nach vorne los. Nach hinten schauen die Romane wie Tagebücher und erzählen dabei von bereits geschehenen Ereignissen, nach vorne blicken die prognostischen Romane und liefern eine Art Drehbuch, wie die Zukunft ablaufen könnte.

Friedrich Hahn vereint in seinem Roman „Wie es im Buche steht“ beide Erzählrichtungen, zum einen kriegen die Helden ein Schicksal, als ob sie alles realiter erlebt hätten, zum anderen aber steht alles, was noch passieren wird, in einem Buch, das quasi mit Leben abgearbeitet werden muss.

Thomas ist Alleinunterhalter und Alleinerzieher, noch dazu fünfzig, das schreit nach Veränderung und Abenteuer. Das bisherige Leben ist unbedeutend abgelaufen, sieht man davon ab, dass sein Sohn Andreas an einer seltsamen Phobie leidet, er verträgt nichts Doppeltes und keine Zwillingsvorkommnisse. Die beliebte Einkaufsaktion „nimm zwei“ wird zum Inbegriff für Panikattacken. Aber auch wenn vier Stühle geliefert werden, muss man sofort drei vor die Tür stellen, damit der Sohn nicht durchdreht.

Während sich Andreas verblüffend gut entwickelt, indem er beispielsweise therapeutisch Doppelporträts fotografiert, hat Thomas Schwierigkeiten, mit seinen Witzen als Alleinunterhalter.

Was sagt das Kaninchen, nachdem es aufgeklärt worden ist? – Wir kommen also nicht aus dem Zylinder? (34)

In das recht unbedarfte Soloprogramm schleichen sich immer wieder Reflexionen ein.

Ans Glück glauben ohnehin nur die, die es nie hatten. (38)

Um den finalen Lebenssinn zu finden, schließt sich Thomas einem Literaturkreis an. Eigentlich geht es beim Besprechen der Bücher ähnlich zu wie bei einem Alleinunterhalter-Programm, nur dass zuerst alle etwas alleine lesen und später geordnet darüber sprechen.

Plötzlich reißt es Thomas aus dem eigenen Körper: Das Buch mit dem Titel das Buch, beschreibt genau sein Leben. Und es bleibt nicht an der Gegenwart stehen sondern beschreibt, was noch geschieht. Jetzt klappt alles wie am Schnürchen, Thomas verliebt sich, es gibt Glück, eine echte Frau, Zusammenleben und Trennung und rechtzeitig zum Ende des Buches geht alles wieder seinen üblichen Gang, wie es im Buche steht.

Friedrich Hahn führt seinen Helden gekonnt in den Wahnsinn der Realität, weil dieser die Literatur wörtlich nehmen muss. Das Buch wird plötzlich zum Fluch, da alles bereits festgeschrieben ist. Gleichzeitig ist der Roman eine Abrechnung mit diesen Literaturveranstaltungen, die allenthalben Unterhaltung und Problemlösung versprechen und in Wirklichkeit die Leute in die Geiselhaft der Eindeutigkeit nehmen. Als Leser wünscht man sich, nie in ein Buch gebeamt zu werden, das man dann hündisch nachleben muss. – Eine schöne Parabel für die befreiende Kraft des Lesens.

Friedrich Hahn, Wie es im Buche steht. Roman.
Innsbruck: Edition Laurin 2014. 155 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-902866-12-7.

 

Weiterführende Links:
Edition Laurin: Friedrich Hahn, Wie es im Buche steht
Wikipedia: Friedricht Hahn

 

Helmuth Schönauer, 29-04-2014

Bibliographie

AutorIn

Friedrich Hahn

Buchtitel

Wie es im Buche steht

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Edition Laurin

Seitenzahl

155

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-902866-12-7

Kurzbiographie AutorIn

Friedrich Hahn, geb. 1952 in Merkengersch / NÖ, lebt in Wien.