Harald Darer, Wer mit den Hunden schläft

Haben schon ganze Sprichwörter einen unheimlichen Lebenssinn, so kippen Halbsprichwörter den Sinn oft in den Wahnsinn.

„Wer mit den Hunden schläft“ ist der Vorderteil eines Sprichwortes, bei dem üblicherweise das Aufwachen mit den Flöhen erfolgt. In Harald Danners Roman freilich wacht der Held mit einem Hund auf, dem er sein Leben erzählt, das in der Hauptsache aus unpassenden Sprichwörtern besteht.

In einer Orgie an Erinnerung und Abrechnung mit der Kindheit erzählt Norbert seinem Hund Kreisky vom „hundsgewöhnlichen“ Leben. Als lediges Kind einer Dienstmagd wächst Norbert auf einem entlegenen steirischen Bauernhof auf und ist in der Folge den Launen des Bauern ausgeliefert, der wie die gesamte Bauernfamilie nichts außer Fressen im Sinn hat. Täglich sitzt er Fressgesichtern gegenüber die sich mit ihren Kompottaugen gegenseitig anschauen. (48)

Während die Bäuerin am Hof ein faschistisches Regiment führt, macht sich der Bauer über Norberts Mutter her. Der Protagonist muss sich aus einer Kommode heraus alles ansehen und er verliert angesichts des „mütterlichen Arschlochs“ jeglichen Respekt und zertrümmert dem Bauern mit dem nächstbesten Gegenstand das Gesicht.

Jetzt ist das Leben am Bauernhof beendet, Norbert muss nach Wien in ein Kinderheim, wo er zwischendurch ein griffig-erotisches Erlebnis mit einem Mädchen aus der Dienstwohnung abwickelt.

Einmal noch gerät Norbert auf die Südbahn, als er im Laufe einer Lehrlingsausbildung mit einem durchgeknallten Lokführer über den Semmering fährt und ihm dabei die Kindheit ordentlich aufstößt. Jetzt hört der Hund Kreisky diesen Erinnerungen zu, es geht nur noch um die Vergangenheit, denn in der Gegenwart gibt es nicht mehr viel zu erleben.

Das Leben ist gespickt mit gewalttätigen Aktionen bis hin zur Selbstvernichtung. Der Lokführer erzählt von einem Selbstmörder, der sich ihm mit einem Bierkrug in der Hand vor die Lok gestellt hat. Der Pfarrer aus der Kindheit hat eine Hitliste von tragischen Unglücken erstellt, auf der der Selbstmord als der Höhepunkt gilt. Der Sohn des sexuell ausfransten Bauern hat sich mir nichts dir nichts mit dem Kopf unter die Holzspaltmaschine gelegt.

Denn die Maschine reagiert nur auf Befehl, eine Maschine ist ein Wunscherfüllungsgerät. (46)

Bei so einer Lebensbewältigung ist es nur logisch, wenn sich die Mutter nach der Vergewaltigung durch den Bauern in die Hand einer Engelsmacherin begibt und anschließend in einem Zug-Abteil auf der Südbahn elendiglich verblutet.

Harald Darer erzählt rasend konzentriert, wie man mit einem aufmerksamen Tier redet. Das Menschliche ist zu knappen Sprichwörtern verkommen, die in allen Lebenslagen rechthaben. – Unbarmherzig rural!

Harald Darer, Wer mit den Hunden schläft. Roman.
Wien: Picus 2013. 218 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-85452-693-3.

Weiterführende Links:
Picus-Verlag: Harald Darer, Wer mit den Hunden schläft
Homepage: Harald Darer

 

Helmuth Schönauer, 13-02-2013

Bibliographie

AutorIn

Harald Darer

Buchtitel

Wer mit den Hunden schläft

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Picus-Verlag

Seitenzahl

218

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-85452-693-3

Kurzbiographie AutorIn

Harald Darer, geb. 1975 in Mürzzuschlag, lebt in Wien.