Holger Albrecht u.a. (Hg.), Autoritäre Regime
Der mit Voltaire befreundete französische Philosoph Claude-Adrien Helvetius bemerkte: „Es ist das Wesen der despotischen Regierungsform, im Menschen die Regung der Leidenschaften abzuschwächen.“
Nach dem Ende des Kalten Krieges war die Hoffnung weit verbreitet, dass Demokratien westlichen Zuschnitts nun weltweit ihren Siegeszug halten würden. Diese Hoffnung ist nun einer ernüchternden Tatsache gewichen:
Mindestens ein Viertel aller Staaten und somit ein gutes Drittel der Weltbevölkerung werden derzeit autoritär regiert. Dazu gesellen sich viele Staaten, die einen Transformationsprozess weg vom Autoritarismus zu verzeichnen haben, aber beständig Defizite hinsichtlich der Etablierung einer liberalen Demokratie aufweisen …
Der Sammelband „Autoritäre Regime“ geht in 13 Einzelbeiträgen der Frage nach den Ursachen und Bedingungen unterschiedlicher autoritärer Regime weltweit nach. Dabei gehen Holger Albrecht und Rolf Frankenberger zunächst allgemein der Frage nach „Stabilität und Wandel autoritärer Regime“ nach. Dabei versuchen die Autoren die zentralen Elemente und Funktionsweisen autoritärer Systeme vorzustellen.
Ein Block aus drei Einzelbeiträgen setzt sich mit den autoritären Entwicklungen und Strukturen in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion auseinander, wobei die Entwicklung in Russland sowie ein Vergleich der Entwicklung in Armenien und Georgien speziell untersucht werden.
Weitere Beiträge beschäftigen sich mit China: „Die Finanzkrise in China: Auswirkungen auf die Legitimität der Parteiherrschaft“ sowie mit autoritären Regimen und ihrem Wandel in Südostasien wie z.B. in Myanmar, Thailand, den Philippinnen und in Indonesien. Hier steht vor allem autoritäre Herrschaft als Herrschaft des Militärs im Mittelpunkt.
Ein weiterer geographischer Block analysiert die autoritären Regime des Vorderen Orients, wobei die Eigenheiten in Ägypten (Das Familienunternehmen Ägypten) und die „Modernisierung des Autoritarismus in den arabischen Golfstaaten“ in eigenen Beiträgen dargestellt werden.
Ein weiterer Schwerpunkt bilden die „Strukturelemente autoritärer Regime in Afrika“. Dabei geht Beatrice Schlee in ihrem Beitrag „Politische Apathie als Antwort auf die Krise in Simbabwe“ dem Phänomen nach, dass die Bevölkerung, trotz einer verheerenden ökonomischen Krise, in eine politische Apathie verfallen scheint. Sie zeigt auf, wie „Demobilisierung und Apathie“ autoritäre Regime stützen kann.
Der letzte Abschnitt beschäftigt sich mit „Autoritarismus und Demokratie in Lateinamerika“, wo vor allem die organisierte Kriminalität eine latente Bedrohung für die Demokratien und ihre Festigung bedeutet. Der Beitrag „Kuba – Im Herbst der Patriarchen“ beleuchtet die Frage, wie es das autoritäre Regime schaffen konnte, bis in die Gegenwart zu überleben.
Nach dem Niedergang der Sowjetunion und des Großteils der kommunistischen Staaten ging der Blick auf die autoritären Regime, die sich im Schatten des Ost-West-Konflikts entwickeln und etablieren konnten weitgehend verloren. Der Sammelband „Autoritäre Regime“ öffnet den Blick auf die weiterhin bestehenden undemokratischen Regierungssysteme und zeigt die Mittel und Wege, deren sich politische Eliten bedienen, um ihre Macht auszubauen und zu sichern. Die Analysen stimmen mitunter bedenklich, ob und wie in den jeweiligen beschriebenen Ländern die politische Partizipation der breiten Bevölkerung in der Zukunft möglich sein kann.
Alle, die sich für Gegenwartspolitik über die Grenzen des eigenen Landes hinaus interessieren, finden in diesem Sammelband eine Fülle an Informationen und Analysen zum Thema autoritäre Regime, die auch den Blick auf das politische Leben in unseren westlichen Demokratien zu schärfen vermögen.
Holger Albrecht / Rolf Frankenberger / Siegfried Frech (Hg.), Autoritäre Regime. Herrschaftsmechanismen, Legitimationsstrategien, Persistenz und Wandel. Aus d. Reihe: Basisthemen Politik
Schwalbach: Wochenschau-Verlag 2011, 336 Seiten, 17,30 €, 978-3-89974642-6
Weiterführender Link:
Wochenschau Verlag: Holger Albrecht / Rolf Frankenberger / Siegfried Frech, Autoritäre Regime
Andreas Markt-Huter, 14-06-2012