Jeremy Reed, Beach Café

Jeder Mensch erlebt einmal zwischen Jugend und Erwachsenwerden jeden ultimativen Sommer, der sich aus den puren Elementen Wasser und Luft vor der Sonne ausstreckt, während rundum die Seelen in die Erwachsenenwelt transformiert werden.

In Jeremy Reeds Roman vom „Beach Café“ bereiten sich vier Jungs auf die dunkle Welt der Erwachsenen vor, indem sie noch alles auf Kante ausprobieren, Musik, Drogen, Körperkult und Sex. Das Quartett hat sich beinahe zufällig am Strand gebildet, als die Vier in die Extremzone rund um den Leuchtturm vorgedrungen sind. Zu Hause warten Arbeit, Ekel, Muse oder Sinnlosigkeit auf sie, am Strand jedoch gehen sie mit ihren zarten unschuldigen Existenzen ans Limit. Dione, Nicholas, Paul und der Ich-Erzähler werden von diesem Warten zusammengeführt, dass etwas passiert.

 Wir lebten in Erwartung der Dämmerung, dem Übergang von Gold zu Blau, der Fremde in unsere Umgebung lockte. (27)

Dione hat vor allem mit dem Körper zu kämpfen, er will sich vielleicht um-operieren lassen, wenn er sich für das richtige Geschlecht entschieden hat. Paul erlebt den Sprung von der Landwirtschaft des Vaters, in der immer wieder mitarbeiten muss, hin zur Sanddüne ohne Schwerkraft als besonders extrem. Nicholas ist tapferer Zuhörer jener Texte, die der Erzähler am laufenden Band produziert. Während die anderen sich mit Drogen aus der Welt zu katapultieren versuchen, gelingt dies dem Ich-Helden mit Song-Texten, die jegliche Musikform sprengen.

Ab der Mitte des Romans verschiebt sich alles, „ich war ein anderer“, als plötzlich jener Todesschrei erklingt, der schlagartig eine neue Ordnung der Dinge schafft. Nicholas ist vor den Klippen ertrunken, Dione in seinem Drogenwahn redet von Mord, und der Erzähler kriegt den schönsten Sex der Menschheitsgeschichte und stellt zu seiner Verblüffung fest, dass das mit Mädchen auch geht, jedenfalls ist viel sexuelle Lava im Spiel.

Die wahren Handlungen spielen sich freilich hinter diesem Sommergerüst an aufkeimender Adoleszenz ab. Es sind die Farben, die jegliche Semantik abstreifen, wenn sie sich entfalten, es ist die Witterung, die monochrom das Universum einzufangen vermag, es ist die Musik, die aus dem Weltraum kommt und vielleicht von David Bowie oder Lou Reed in den Dünen vorgetragen wird. Als die Schreckensnachricht vom Ertrunkenen an Land trifft, verfinstert sich das Ambiente zu einer düsteren Tirol-Darstellung, wie sie Franz Marc expressionistisch gemalt hat.

Vor allem erzähltechnisch geht einem dieser Roman einen Sommer lang nicht aus dem Ohr, es ist diese Verquickung von Sand, Musik und greller Geilhheit, wie sie in wilden Nächten der Ekstase aus den Instrumenten springt.

Jeremy Reed, Beach Café. Roman, a. d. Engl. von Pociao, mit Illustrationen von Jean Cocteau, [Orig.: Inhabiting shadows, 1990]
Zürich: bilgerverlag 2016, 141 Seiten, 20,40 €, ISBN 978-3-03762-057-1

 

Weiterführende Links:
Bilgerverlag: Jeremy Reed, Beach Café
Wikipedia: Jeremy Reed (engl.)

 

Helmuth Schönauer, 16-10-2016

Bibliographie

AutorIn

Jeremy Reed

Buchtitel

Beach Café. Roman

Originaltitel

Inhabiting shadows

Erscheinungsort

Zürich

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Bilgerverlag

Illustration

Jean Cocteau

Übersetzung

Pociao

Seitenzahl

141

Preis in EUR

20,40

ISBN

978-3-03762-057-1

Kurzbiographie AutorIn

Jeremy Reed, geb. 1951 in Jersey, lebt in London.