Moritz Beichl, Ist mir doch scheißegal

In der Literatur ist es durchaus üblich, ein Segment der Welt für das Ganze zu nehmen und darin den poetischen Kosmos auszuprobieren. So lässt sich etwa das Nachtleben, die Welt der Bars und intimen Beleuchtungen durchaus als Primär-Welt darstellen, der sich das Tageslicht und der Alltag unterzuordnen haben.

Moritz Beichl stellt mit seinen Gedichten die Welt als Bar dar, das lyrische Ich schreibt dabei mit Nacht-zittriger Handschrift das Motto auf: „ist mir doch scheißegal“. (77)

Dieses lyrische Ich ist vor allem eines: müde. Außerdem schwingt jeweils eine saftige Identitätskrise mit, nie ist klar, wer der nüchterne Teil ist und wer der nächtliche Anteil, durch jedes Gedicht zieht sich eine Trennungslinie schizophrenen Ausmaßes.

der autor / der meine gedichte schreibt / wenn ich betrunken bin / und ich / der alkoholfreie gedichte schreibt / wir mögen uns nicht (21)

Aber selbst bei Tageslicht ist ein genaues Einparken der Eigenwahrnehmung in der Wirklichkeit so gut wie unmöglich.

ich sehe in den spiegel und sehe mich nicht in mir / ich bin da nicht drin / ich neige meinen kopf zur seite / um mich richtig zu sehen, also den richtigen blickwinkel zu finden / aber irgendwie erkenne ich da nichts (47)

Erschwerend für das Oszillieren zwischen Bar-Betrieb und Tagesauslauf kommt hinzu, dass das lyrische Ich nie von sich selbst Pause hat, vielem kann man entkommen, sich selbst jedoch nicht.

Zwischendurch setzt das lyrische Ich auch auf soziale Reaktionen:

ich mag keine menschen / aber ich freue mich / wenn sie sich freuen / egal wie blöd sie sind (49)

Nach einem Sterbegedicht unter dem sinnigen Titel „alles wird besser“, worin eine Kreatur an Schläuchen angehängt beim Sterben gestört wird, taucht schließlich ein optimistisches Langgedicht auf „beim nächsten mal wird alles besser“. Dabei wird im Ton einer Ballade zumindest formuliert, wie es weitergehen könnte, freilich handelt es sich um eine Probewirklichkeit eines Poems, dem die Realität nicht zu folgen bereit ist.

Moritz Beichls Bar-Gedichte haben einen ordentlichen Zug mitten in die Nacht hinein, nichts wird in Selbstmitleid verschleudert, sondern die Sequenzen haben den Biss zum Wahnsinn. Natürlich ist auch eine Portion Augenzwinkern dabei, denn so fett können die Figuren gar nicht sein, dass sie nicht wüssten, dass sie sich in einem Gedicht befinden.

Moritz Beichl, Ist mir doch scheißegal. Gedichte. Fotos von Victoria Zwieauer.
Klagenfurt: Sisyphus 2012. 130 Seiten. EUR 12,-. ISBN 978-3-901960-58-1.

 

Weiterführender Link:
Sisyphus-Verlag: Moritz Beichl, Ist mir doch scheißegal

 

Helmuth Schönauer, 28-11-2012

Bibliographie

AutorIn

Moritz Beichl

Buchtitel

Ist mir doch scheißegal

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Sisyphus-Verlag

Illustration

Victoria Zwieauer

Seitenzahl

130

Preis in EUR

12

ISBN

978-3-901960-58-1

Kurzbiographie AutorIn

Moritz Beichl, geb. 1992 in Wien, lebt in Wien.