Otto Licha, Zuagroaste

h.schoenauer - 09.11.2005

Buch-CoverKalendergeschichten sind verlässlich, weil sie in prägnanter Form wieder kommen wie die Jahreszeiten, und sie sind aufregend wie die Monate, in denen sie geschehen.

Otto Licha hat quer über das ganze Jahr Geschichten ausfindig gemacht, in welchen sogenannte Zuagroaste einen Durchbruch oder Niederschlag in der neuen Umgebung erleben.

Eigentlich besteht die Welt generell aus Zuagroasten, denn wer kann schon genau Auskunft geben, wann seine Vorfahren von welchem Baum gestiegen sind. Der Autor mußte selbst als Zweijähriger Mini-Wiener nach Tirol übersiedeln und hat so die Vorurteile der Stammtische und Erbhöfe von der Pike auf am eigenen Leib zu spüren gekriegt.

In seiner Sammlung der Kalendergeschichten gibt es eine Einstimmung in den jeweiligen Monat, worin die Mentalität der Einheimischen zu einer bestimmten Höhe des geistigen Sonnenstandes beleuchtet wird. Anschließend gibt es die Fallgeschichte zur passenden Jahreszeit. Dabei geht es um gebrochene Herzen, die in der Ferne erst recht ausrinnen, um musikalische Genies, die ihre Musik jeweils am falschen Ort komponieren und spielen, um fette Saunasäcke, die nicht einmal zu einem Aufguss fähig sind, wenn sie den Sack mit Vorurteilen ausleeren, aber auch um seltsame Zugezogene aus einer anderen Zeit, die sich in der Gegenwart nicht zurecht finden.

Die Zuagroasten leben ihr Schicksal beinahe in Vitrinen aus, es ist verdammt schwer, zur Aura der Einheimischen Kontakt herzustellen. Wie Schauobjekte aus einer anderen Welt verbringen sie ihr Dasein letztlich abgeschlossen in sich selbst.

Die Patrioten und Einheimischen kommen bei Otto Licha noch einmal gut davon, gemessen an dem, was sie in ihrer Ignoranz anstellen. Die Sympathie der Leser gilt den Zuagroasten, vielleicht hilft auch das Glossar dabei, diese Welten zusammenzubringen und zu verstehen.

Im Glossar wird das Alphabet herunter gespult, viele Buchstaben bleiben leer, weil es nichts zu sagen gibt, Yodeln in Ynnsbruck etwa. Aber die Beiträge haben es in sich. Sandler-Stenogramm, Die Sage von der brennenden Feuerwehr, Über Beamte mit Weisungsgebundenheit, das sind jene kleinen Textstiche, die weit über das Jucken hinausgehen und eine ordentliche Krätze der Nachdenklichkeit auslösen.

Otto Licha: Zuagroaste. Kalendergeschichten.
Münster: AT Edition 2005. 164 Seiten. EUR 12,90. ISBN 3-89781-082-4.

Weiterführender Link:
Wikipedia: Otto Licha

 

Helmuth Schönauer, 09-11-2005

Bibliographie
AutorIn:
Otto Licha
Buchtitel:
Zuagroaste
Erscheinungsort:
Münster
Erscheinungsjahr:
2005
Verlag:
AT Edition
Seitenzahl:
164
Preis in EUR:
EUR 12,90
ISBN:
3-89781-082-4
Kurzbiographie AutorIn:
Otto Licha, geb. 1952, lebt in Innsbruck.