Paul Schreyer, Wer regiert das Geld?

„Aber wem dienen wir eigentlich beim Erwerb all der Münzen, Scheine und elektronischen Ziffern auf dem Konto? Wer erzeugt das, nach dem alle streben? Und wer hat denjenigen legitimiert, diese Macht auszuüben? Darum, kurz gesagt, soll es in diesem Buch gehen.“ (10)

Was ist eigentlich Geld, von dem alles in unserer Gesellschaft abhängig ist und gelenkt wird, seien es die Armen, für die die Beschaffung von Geld zum Lebensinhalt wird oder die Reichen, die in steter Sorge leben, es zu verlieren. Aber auch gesellschaftlich offenbart sich immer mehr, dass die Macht des Geldes und Demokratie sich als Konkurrenten gegenüberstehen.

Unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem wird häufig als Realität erlebt, die scheinbar unbeeinflussbaren Naturgesetzen gehorcht und nicht vom Menschen gezielt organisiert werden kann. Ziel des Buches ist es auch mit der Vorstellung eines sich selbst organisierenden Wirtschaftssystems aufzuräumen.

In der ersten Hälfte des Buches wird erklärt, wie Geld, Kredit und Banken in der Gegenwart funktionieren, wie es möglich ist, dass für Bildung, Soziales, Kunst und Kultur die notwendigen Gelder fehlen, für Bankenrettungen aber in kürzester Zeit unvorstellbare Summen bereitgestellt werden können. Eine der Ursachen dafür liegt im „seltsamen Wesen der Geldschöpfung“ (26). Hier heißt es zuerst sich von der Idee zu verabschieden „alles Geld wird von der Zentralbank geschaffen“ oder „das Geld auf dem Girokonto ist grundsätzlich sicher“ (26).

Banken unterscheiden sich grundsätzlich darin von anderen Firmen, dass sie selbst Geld erzeugen können. Zwar kein Bargeld, das aber nur 20% des umlaufenden Geldes ausmacht, dafür aber Giralgeld, das für die restliche Geldwirtschaft die zentrale Rolle spielt. Dies ist möglich, weil das Geld auf Girokonten als Teil der Bilanz der Bank betrachtet werden kann.

In einem weiteren Kapitel erfahren die Leserinnen und Leser „Warum Banken (fast) alles umsonst bekommen“, was mit der engen Vernetzung von Banken untereinander, der Größe einer Bank und den Möglichkeiten der Bilanzierung zu tun hat, die eine Giralgeldschöpfung der Banken ermöglicht. Die Kapitel „Gold und der Wert des Geldes“ (62) sowie „Das Geschäft mit den Staatsschulden“ zeigt den Einfluss und die Macht der Banken auf das Geld- und Wirtschaftssystem in einem Staat und in welcher Abhängigkeit der Staat zum Bankenwesen steht.

Unter den Zwängen der wachsenden Verschuldung gegenüber einer kleinen wohlhabenden Schicht ist eine Regierung nicht demokratisch kontrollierbar. Die Macht liegt am Ende immer bei den Gläubigern. (78)

Der zweite Teil des Buches bietet einen historischen Rückblick auf die Anfänge des Geld- und Bankenwesens, in dem die Entwicklungen des heutigen Finanzsystems seit der beginnenden Neuzeit aufgezeigt werden. Das System zeigt sich damit nicht als Ergebnis naturgesetzlicher Vorgaben sondern als gesellschaftliche Auseinandersetzung um Macht und Einfluss in einem Staat. Dabei hat es immer wieder erfolgreiche Versuche gegeben, den Vorrang der Politik und der demokratischen Entscheidung vor der Macht des Geldes und der Wirtschaft durchzusetzen.

Paul Schreyer führt die Leser in seinem Sachbuch, das sich von der ersten Seite weg nahezu wie ein Thriller liest, im wahrsten Sinne des Wortes durch eine „Reise ins Zentrum der Macht“. Verständlich werden überaus komplexe Zusammenhänge rund um die Geldschöpfung, Bilanzierung von Banken, die Rolle von Nationalbanken und das Schuldenmachen von Staaten erklärt und ihre Hintergründe aufgezeigt.

Der historische Abschnitt legt dar, dass das Finanzsystem der Gegenwart sich als historische Auseinandersetzung um die wirtschaftliche und politische Macht in den einzelnen Staaten verstehen lässt, die mittlerweile globale Dimensionen angenommen hat. Wer dabei auf der Strecke bleibt, ist die Demokratie.

Ein überaus wichtiges, spannendes, informatives und verständlich geschriebenes Buch, das die zahlreichen Krisen und Entwicklungen der jüngsten Gegenwart verständlich macht. Gleichzeitig aber auch ein Aufruf an alle Demokraten, die politische Macht wieder für den Souverän zurück zu fordern: die Bürgerinnen und Bürger.

Paul Schreyer, Wer regiert das Geld? Banken, Demokratie und Täuschung. Eine Reise ins Zentrum der Macht
Frankfurt a. Main: Westend Verlag 2016, 224 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-3-86489-125-0

 

Weiterführende Links:
Westend Verlag: Paul Schreyer, Wer regiert das Geld?
Wikipedia: Paul Schreyer

 

Andreas Markt-Huter, 02-03-2016

Bibliographie

AutorIn

Paul Schreyer

Buchtitel

Wer regiert das Geld? Banken, Demokratie und Täuschung. Eine Reise ins Zentrum der Macht

Erscheinungsort

Frankfurt a. Main

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Westend Verlag

Seitenzahl

224

Preis in EUR

18,50

ISBN

978-3-86489-125-0

Kurzbiographie AutorIn

Paul Schreyer ist freier Journalist, unter anderem für das Magazin „Telepolis“, sowie Autor mehrerer politischer Sachbücher.