Roman Maria Koidl, Blender

Ein Untertitel, der straff ins Unterbewusstsein fährt und dort Zustimmung auslöst, zwingt einen geradezu, auch den Obertitel und das ganze Buch dazu zu lesen. Denn wer kommt nicht in euphorische Zustimmung, wenn behauptet wird, dass immer die Falschen Karriere machen?

Roman Maria Koidl nennt diese Typen, die in allen Gesellschaftsschichten den Ton angeben, Blender. Und die potentiellen Leser sind also offensichtlich das Gegenteil, nämlich aufgeklärte, nicht verblendete Erscheinungspuristen.

Dabei geht der Autor ziemlich ungeniert zu Werk. In fiktionalen Plots werden archetypische Figuren entworfen, wie man sie als Klischee in jeder Vorabendserie findet. Da gibt es Möchtegernhengste, die die Unterwäsche ihrer Partnerinnen als Sexualtrophäe sammeln, Intriganten, die jede Szene in die Luft jagen, Bildungsprahler, die selbst am Klo noch eine kulturelle Leistung verbringen, und Stimmakrobaten, die allein durch die Bewegung des Brustkorbs alle Anwesenden in gute Stimmung versetzen.

Manche dieser Geschichten sind mit griffigen Psychologie-Formeln unterlegt, etwa dass es drei Methoden nach oben gibt, nämlich Leistung (unwahrscheinlich), gute Kontakte (hilfreich) und politische Seilschaften (deppensicher).

An anderer Stelle wird die 7-78-55 Regel erklärt, nur 7 Prozent des Gesagten macht der Inhalt aus, 38 Prozent die Stimme und 55 Prozent die Körpersprache.

Manche Behauptung grenzt knapp an eine Erfindung, etwa dass es eine Innsbrucker Studie gibt, wonach bereits dreijährige Mädchen nicht mehr gegenüber Jungen in Konkurrenz treten wollen.

Auch die dargestellten Personen werden sehr oberflächlich, beinahe blenderisch behandelt. Es ist sicher richtig, Grasser als Prototyp für einen Blender darzustellen, er ist aber nicht deshalb zurückgetreten, sondern weil das Volk in einer Wahl genug von ihm hatte. Gerade Grasser ist auch ein Musterbeispiel für den Halo-Effekt, bei dem eine einzige Eigenschaft (beispielsweise eine wilde Frisur) alles andere zuzudecken vermag. Blender arbeiten grundsätzlich mit dem Halo-Effekt!

Nach vielen Anekdoten, Stammtischstrategien und solidarischen Blend-Kundgebungen stellt der Autor noch sieben Strategien vor, wie man Blendern begegnen könnte.

Dabei kommen recht triviale Tipps zum Vorschein. Frauen sollten nicht auf Männer eini fallen, Männer sollten nicht so viel Scheiß reden, Mobbing sollte unterbunden werden, eine Karriere sollte man wirklich wollen und sich nicht von ihr blenden lassen.

Die Aufgabenstellung für dieses Buch ist dem Autor vermutlich selbst nicht immer klar gewesen. In einem System, das ausschließlich auf Schein basiert, in einer Kommunikationsgesellschaft, die ausschließlich glatte Smart-Phones ohne Content benützt, ist es unmöglich, kein Blender zu sein. Jeder von uns muss Tag und Nacht blenden, sonst könnte er in dieser überhitzten Scheingesellschaft nicht bestehen. Der Autor blendet dabei trefflich mit, offensichtlich macht auch er als Falscher eine Karriere.

Roman Maria Koidl, Blender. Warum immer die Falschen Karriere machen.
Hamburg: Hoffmann und Campe 2012. 250 Seiten. EUR 17,50. ISBN 978-3-455-50218-3.

Weiterführende Links:
Hoffmann & Campe: Roman Maria Koidl, Blender
Wikipedia: Roman Maria Koidl

 

Helmuth Schönauer, 04-05-2012

Bibliographie

AutorIn

Roman Maria Koidl

Buchtitel

Blender. Warum immer die Falschen Karriere machen

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Hoffmann & Campe

Seitenzahl

250

Preis in EUR

17,50

ISBN

978-3-455-50218-3

Kurzbiographie AutorIn

Roman Maria Koidl, geb. 1967, lebt in Zürich.