Siegfried Frech / Boris Kühn (Hg.), Das politische Italien

„Dennoch nimmt Italien eine Sonderrolle unter den westeuropäischen Demokratien ein: 60 Regierungen seit 1945 sind ein Rekord …“

Italien ist den meisten deutschsprachigen Bewohnern nördlich der Alpen als Urlaubsland am Mittelmeer ein Begriff mit dem der südländische Lebensstil „La dolce vita“ verbunden wird. Wenn es um Fragen der Gesellschaft, Wirtschaft, Politik & Kultur Italiens der letzten 100 Jahre geht, ist das Allgemeinwissen darüber schon weniger ausgeprägt.

Die beiden Herausgeber Siegfried Frech und Boris Kühn haben in ihrem Buch „Das politische Italien“ eine überaus interessante und informative Auswahl an Beiträgen zur Geschichte, Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur zusammen gestellt, in denen das ambivalente Land ausführlich unter die Lupe genommen wird. 13 Beiträge deutscher und italienischer Autorinnen und Autoren setzen sich mit zentralen Themen der italienischen Gesellschaft auseinander.

Horst-Günter Wagner beschreibt in seinem Beitrag „Strukturwandel – Wirtschaftsgeographische Differenzierung“ die Veränderungen in der Landwirtschaft, der Industrie und im gesamten Wirtschaftssystem Italiens.

Wolfgang Altgeld geht der Frage nach der italienischen Nationalstaatsgründung nach, die mit dem sogenannten Risorgimento beginnt und erst über erhebliche Widerstände gegen den politischen Einfluss Frankreichs, Spaniens und Österreichs vollzogen werden konnte. Was geblieben ist, sind die großen kulturellen, ökonomischen und sozialen Unterschiede in Italien.

Alessandra Dino setzt sich in ihrem Beitrag mit der organisierten Kriminalität, dem System der Mafia im Rahmen globaler Szenarien und internationaler Connections auseinander, während sich Corrado Bonifazi zum Thema Migration der Frage nach Italiens Rolle als „Einwanderungsland wider Wille?“ nachgeht.

Das italienische Wahlrecht und Parteiensystem analysiert Stefan Köppl unter dem Aspekt der Experimente und des Wandels im politischen System vor allem seit der politischen Umbruchsphase Anfangs der 1990er Jahre, als die Erste Republik zusammen brach. Dazu passend untersucht Mario Caciagli die Einstellungen, Werte und Normen der Italienerinnen und Italiener und die wichtige Rolle der Medien während dieses Veränderungsprozesses.

Ebenfalls das jüngste politische Leben Italiens behandelt Paolo Belluccis Beitrag „Die Ära Berlusconi – Das System eines umstrittenen Politikers“ und macht verständlich, vor welchem Hintergrund der italienische Medientycoon seine Erfolge feiern konnte. Alexander Grasse setzt sich in seinem Beitrag „Föderative Tendenzen – Politik, Wirtschaft und Regionalbewusstsein im Wandel“ mit den Gegensätzen zwischen den einzelnen Regionen in Italien auseinander, die vor allem durch die Wahlerfolge der Lega Nord politische Brisanz erhielten.

Günther Pallaver zeigt in seinem Beitrag „Südtirol und Padanien“ welche Rolle Parteien bei der Schaffung regionaler Identität spielen. Während sich die Südtiroler Volkspartei auf die Verteidigung der eigenen Sprachgruppe und des eigenen Territoriums konzentriert, werden von der Lega Nord die politischen und ökonomischen Interessen des wirtschaftlich starken italienischen Nordens in den Mittelpunkt gestellt.

Welche Rolle Frauen in Italien in den Medien, in der Gesellschaft und Politik heute spielen beschreibt Saveria Capecchi in ihrem Beitrag „Frauenrollen“, wobei sie sich auch mit dem Klischee der „männerdominierten“ italienischen Gesellschaft auseinander setzt. Dörte Dinger betrachtet die Geschichte der „Deutsch-italienischen Beziehungen“, die anfangs sehr stark vom Trauma der letzten Kriegsjahre geprägt waren. Sonja Haug befasst sich im Beitrag „Italiener in Deutschland“ mit der Migrations- und Integrationsgeschichte ehemaliger „Gastarbeiter“.

Das politische Italien bietet einen überaus aufregenden und informativen Einblick in die gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen unseres südlichen Nachbarlandes. Es deckt Widersprüchlichkeiten und Unterschiede innerhalb Italiens ebenso auf, wie es die historischen Hintergründe darstellt und gegenwärtige Verhältnisse analysiert. Ein spannend zu lesendes und dennoch kompetentes Sachbuch über ein überaus facettenreiches Land am Mittelmeer.

Siegfried Frech / Boris Kühn (Hg.), Das politische Italien. Gesellschaft, Wirtschaft, Politik & Kultur
Schwalbach: Wochenschau-Verlag 2011, 352 Seiten, 20,40 €, ISBN 978-3-89974-643-3

 

Weiterführender Link:
Wochenschau-Verlag: Siegfried Frech / Boris Kühn (Hg.), Das politische Italien

 

Andreas Markt-Huter, 05-06-2012

Bibliographie

AutorIn

Wolfgang Altgeld / Paolo Bellucci / Corrado Bonifazi u.a.

Buchtitel

Das politische Italien. Gesellschaft, Wirtschaft, Politik & Kultur

Erscheinungsort

Schwalbach

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Wochenschau-Verlag

Herausgeber

Siegfried Frech / Boris Kühn

Reihe

Länderwissen

Seitenzahl

352

Preis in EUR

20,40

ISBN

978-3-89974-643-3

Kurzbiographie AutorIn

Siegfried Frech ist Publikationsreferent bei der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg<br />Boris Kühn ist Büroleiter des gemeinnützigen Think Tanks „Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen“.