Thomas Schafferer, Jenseits von Luxemburg

Ereignisse, die „jenseits“ spielen, erwecken wie von selbst Neugierde, Mitgefühl und Sehnsucht. Wer ist nicht hingerissen von Filmen wie Jenseits von Afrika oder Büchern wie Jenseits von Eden oder Jenseits von Gut und Böse.

Thomas Schafferer gelingt mit Jenseits von Luxemburg ein erzählstrategischer Coup. Dadurch, dass fast nichts auf dem Kontinent in Luxemburg spielt, spielt automatisch fast alles „jenseits von Luxemburg“. Diese Fügung ist nur zum Teil geographisch gemeint, in der Hauptsache geht es um ein Gefühl, das an einem bestimmten Ort ausgelöst wird und sich nicht mehr einfangen lässt.

Die sogenannte Liebeserklärung ist einmal als Liebesroman im Stile eines modernen Minne-Dienstes zu verstehen, Romantik, Flausch, Heiratsanträge gelingen wie selbstverständlich, andererseits ist es auch eine Liebeserklärung an ein Herrschaftsmodell, an eine politische Skurrilität und an ein modernes Märchen von der Teilhabe der Betuchten am Tuch. Dabei sind die schönen Dinge nur im ersten An-glänzen irritierend, schon beim zweiten Blick tauchen die Zweifel auf, Sprünge und Risse sind zugelassen.

Mustergültig zum Vorschein kommt diese Dichotomie bereits am Umschlag: ein knallgelbes Feld, das von der Pfeil-Frisur des Autors getrimmt wird, geht mit scharfer Kante über in eine prustende Industrieanlage, die im Schatten liegt. Licht und Schatten, Natur und Industrie, Poesie und Verwaltung liegen nur durch die Jenseits-Grenze getrennt aneinander.

Die Liebeserklärung selbst nennt sich lyrischer Roman und ist in siebzehn Kapitel aufgeteilt, an den Überschriften wird jeweils neu Luft geholt für den Auftritt der Fanfare, wie in dieser Gegend oft das Blasorchester genannt wird.

Eine Frau, die wie Che Guevara auftritt und die Revolution der Gefühle auslöst, Demut und Glück, Traumgestalten, Landepiste, Roadmovie nennen sich die einzelnen Abschnitte, die scheinbar wie Gedichte portioniert sind, beim längeren Lesen freilich in einen starken Grundstrom übergehen, vielleicht mit jener Frequenz, in der die Erde an Sonntagen schwingt.

und alles wird gut sein / ein sternenklarer himmel über mir und ich denke / wieder an dich, an so vieles und hoffe, dass alles / in ordnung ist, denn mit mir ist alles in ordnung // ich rauche zigarre in einem fußballtor und danke / ich danke für fünf tore, die ich bisher für ein team / erzielen konnte und manch einer sagt, das sei / allesbloß zufall gewesen, immer wieder / reproduzierbar (98)

Diese Abschweifungen von einer Liebesgeschichte, die Gegenüberlegungen und Aussichten auf günstige Prognose schließen immer auch den Leser mit ein, mit seinen Empfindungen mitzuhelfen, der Geschichte einen guten Ausgang zu verleihen. Denn das ist das Heimtückische dieser Roadmovies der Herzausschüttungen, solange sie in Bewegung sind, stehen sie in Feuer, doch dann gilt es klug zu sein, und die Notlandung so sacht wie möglich hinzukriegen.

Thomas Schafferers Roman an der Grenze von AUT und LUX, von genialem Liebesrausch und klarem Afterwork-Kopf, von Lyrik und Epik, eröffnet über den jenseitigen Umweg den frischen Blick auf eine Seele, die trittsicher in Arthur Schnitzlers weitem Land aufzutreten weiß.

Thomas Schafferer, Jenseits von Luxemburg. Ein lyrischer Roman als Liebeserklärung (auch) an das Großherzlichkeitstum
Differdange: Kabes a Rascht 2015, 194 Seiten, 19,50 €, ISBN 978-99959-892-0-0

 

Weiterführende Links:
Kabes a Rascht: Thomas Schafferer, Jenseits von Luxemburg
Wikipedia: Thomas Schafferer

 

Helmuth Schönauer, 12-12-2015

Bibliographie

AutorIn

Thomas Schafferer

Buchtitel

Jenseits von Luxemburg. Ein lyrischer Roman als Liebeserklärung (auch) an das Großherzlichkeitstum

Erscheinungsort

Differdange

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Kabes a Rascht

Seitenzahl

194

Preis in EUR

19,50

ISBN

978-99959-892-0-0

Kurzbiographie AutorIn

Thomas Schafferer, geb. 1973, lebt in Innsbruck.