Wolfgang Pollanz, Felden

Nichts ist wahrscheinlich so schwer zu erzählen wie eine Geschichte ohne Handlung eingebettet in einer Gegend ohne Schwerpunkt mit Helden ohne Sinn.
Wolfgang Pollanz macht sich mit Hingabe an die Aufgabe, aus der fiktiven Stadt „Felden“ den ultimativen Charme herauszupressen.

Das Leitmotiv, das dabei alle Figuren zumindest einmal aussprechen müssen, lautet ganz lethargisch: „Keiner weiß, was wirklich los ist!“

Doch es sind die Unauffälligkeiten, die Alltäglichkeiten und Provinz-Possen, die im Kessel von Felden los sind. Die erste Adresse für Begegnungen ist dabei die Lokalität Stern des Südens.

Ein Schriftsteller schreibt einen Roman, und wenn sich eine Figur nicht richtig benimmt, wird sie aus dem Text geschmissen. „Auch Romanfiguren haben Angst, eliminiert zu werden.“ (31) Sein Freund Andorra hat eine Karriere als Barkeeper in Spanien hinter sich und betreibt ein Leben lang Frauenforschung. Er sitzt in der Souterrain-Wohnung und beobachtet alle Frauen von unten her, was den Nachteil hat, dass er nie das Oberteil einer Frau zu Gesicht bekommt. Der Arzt Dr. Mally ist berühmt für seine exklusiven Operationen, die er in einer Liste zusammengefasst hat.

Ein Kennzeichen der Entlegenheit ist die Lust, das Vorhandene in Listen weltmännisch zusammenzufassen. So gibt es beispielsweise eine Aufzählung von interessanten Namen für Friseur-Läden, „Kaiserschnitt, Kamm in, Haare Krishna, Hair-Bert, Hairforce One, GmbHaar, Schnittstelle, Hairgott, Hairicane, Haarlekin.“ (152)

Die geheimnisvolle Malvine schwebt durch die Stadt und macht alle verrückt, ihre Exklusivität wird nur von einem nackten Mann übertroffen, den niemand in Realität gesehen hat.

Das Besondere an Felden ist freilich die Band-Dichte, mindestens zehn Bands spielen Tag für Tag um ihr Überleben und erfüllen den Talkessel mit einem Sound, der es in sich hat. Fünf Bonusstücke davon sind auch tatsächlich auf CD gepresst und dem Roman beigelegt.

Erzählerisch spielt Wolfgang Pollanz alles aus, was es für einen witzigen, verschmitzten Roman an der Peripherie des Literaturgeschehens braucht. Alte Menschen erzählen sinnlose Sagen über die Gegend, der Schriftsteller greift ständig in die Realität ein, satt beim Text zu bleiben, die einzelnen Kapitel sind ineinander wie eine russische Puppe verschachtelt und daher subtil miteinander verschweißt.

Die Anfangsbuchstaben der acht Kapitel, die so heftige Mottos tragen wie „Ephemere Erscheinungen, Obskure Obsessionen, Intime Interferenzen“, ergeben den Über-Sinn des Romans: Entropie. Spätestens seit Thomas Pynchon gilt die Entropie als der Sinn jeglichen Erzählens, man muss so lange am Text dran bleiben als Autor oder als Leser, bis dieser sich aufgelöst hat. - Wunderbar entlegen, musikalisch witzig, professionell in die Provinz verliebt!

Wolfgang Pollanz, Felden. Ein Roman oder Keiner weiß, was wirklich los ist.
Graz: Keiper 2012. 204 Seiten. (+ 1 CD). EUR 23,90. ISBN 978-3-9503337-9-4.

 

Weiterführende Links:
Edition Keiper: Wolfgang Pollanz, Felden
Wikipedia: Wolfgang Pollanz

 

Helmuth Schönauer, 25-11-2012

Bibliographie

AutorIn

Wolfgang Pollanz

Buchtitel

Felden. Ein Roman oder Keiner weiß, was wirklich los ist.

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Edition Keiper

Seitenzahl

204

Preis in EUR

23,90

ISBN

978-3-9503337-9-4

Kurzbiographie AutorIn

Wolfgang Pollanz, geb. 1954 in Graz, lebt in Wies.