Klicken Sie hier für die Erweiterte Suche ...

Manche Berufsgruppen eignen sich aus politischen, religiösen oder patriotischen Gründen ganz besonders für die Hervorbringung von Helden. So hat der Arbeiter so lange den Helden gemimt, bis es keine Arbeit mehr gegeben hat, und der Bauer, gefeiertes Liebkind aus dem Ständestaat, ringt schon seit Jahrzehnten mit dem heldischen Abgang vom Hof.

Sepp Kahn kümmert sich stets in satirischer Form um dieses Bauernbild, das ihm an manchen Tagen unter der Hand zusammen-kugelt, noch ehe er es fertig entworfen hat. Unermüdlich wird von einer Welt erzählt, worin die Protagonisten sich zuerst in einem Klischee zeigen, dann aber sich selbst durch Bauernschläue retten und dem Publikum zeigen, dass sie noch Herr der Lage sind.

Jede gesellschaftliche Etage bringt zu gewissen Zeiten modische, kulinarische oder spielerische Gesten hervor, die eine Zeit recht gut beschreiben und hintennach als historisches Aha-Erlebnis gehandelt werden. Die Milzschnitten sind so eine Spezialität, die in diversen Haushalten des Wirtschaftswunders mit Genuss und Ekel verzehrt worden ist, ehe ihr hygienische EU-Vorschriften zumindest als Massenartikel den Garaus gemacht haben.

C. H. Huber versammelt unter dem Titel „Milzschnitten“ vierzehn Geschichte aus einem Alltagskosmos, der scheinbar wie geschmiert nach Benimm-Regeln abläuft, worin die Heldinnen und Helden aber ganz schon zu kauen haben, wenn sie ihre Lage reflektieren.

Raffinierte Titel sind immer mehrdeutig wie die Lyrik überhaupt. Landaufnahmen können sich auf die Rezeption besinnen, wonach jemand Aufnahmen von einem Land macht und es als Kunstrichtung zwischen Selfie und Landschaftsmalerei ablegt. Die Landaufnahmen können sich aber auch auf die Gastfreundschaft eines Landes beziehen, wenn das Land jemanden willkommen heißt und aufnimmt.

Regina Hilber sortiert ihre Gedichte einerseits unter dem Lichtbogen konkreter Landschaften wie Hohe Tatra, Alpen oder Friaul ein, andererseits transformiert sie zustände und Stimmungen zu emotionalen Landschaften wie Sommer Slowenien.

Eine Geschichte verändert sich naturgemäß, wenn sie in eine andere Sprache übersetzt wird. Oft erschließt sich der tiefere Sinn erst, wenn man den Text zweisprachig plastisch vor sich sieht wie eine Stereoaufnahme von einem Gelände.

Margit von Elzenbaum greift das fundamentale Thema der Südtiroler, nämlich die Mehrsprachigkeit, in ihren elf Geschichte auf, freilich geht es dabei um den Gap zwischen Dialekt und verschrifteter Sprache. Manche Geschichten sind als kurze lyrische Impression angelegt und logischerweise im Dialekt gehalten, die längeren und komplexeren Geschichten halten sich an die Schriftsprache. Einen Sonderfall stellt die Titel-gebende Story „Zwischen jetzt und jetzt“ dar, worin an besonders emotionalen Stellen oder wenn eine Heldin in den inneren Monolog wechselt, der Dialekt nahezu brachial loslegt.

Gebildete und emanzipierte Märchenprinzessinnen schlafen natürlich nicht mehr auf der Erbse, sondern auf exotischem Reis. Arborio gilt für Risotto-Liebhaber als Inbegriff geschmackhaften Reises.

Bettina Balàka spielt bewusst mit diesen Bobo-Elementen Genuss, Insiderwesen und Adabei-Szenerie, wenn sie ihre Heldin Zorzi durch alle Zwiebelschalen der Forensik jagt. Dabei wird das Leben als ein Gefäß erzählt, in dem man einsitzen muss.

„Den Männern und den Frauen / verbot sie allen auf den Tod, / dass sie je von den Rittern sprechen. / »Denn wüsste meines Herzens Schatz, / was dieses Ritterleben sei, / dann würd‘ mir das zum großen Unheil. / Nun haltet euch an die Vernunft / und sagt nichts von der Ritterwelt.«“ (118)

Wolfram von Eschenbachs Parzival gehört zu den Hauptwerken der deutschen Literatur des Mittelalters. Das Anfang des 13. Jahrhunderts entstandene große Versepos besteht aus sechzehn Büchern mit 25.000 Versen und erzählt das abenteuerliche Leben des Ritters Parzival, der sich auf seinem Weg auf der Suche nach dem Heiligen Gral zu einer großen ritterlichen Persönlichkeit entwickelt.

Kräuter gelten als magische Wunderstoffe und als Lebens-Elixiere schlechthin. In der Literatur treten sie immer dann auf, wenn die Fiktion in die Realität umschlägt und die Schwerkraft in Luftigkeit. Drogenfahnder misstrauen Kräutern generell, weil ihre Anwender den Fahndern immer einen Schritt voraus sind. Vor allem ist die Zahl der Kräuter unendlich. Und in der Küche werden Kräuter als flächendeckender Trüffel eingesetzt, alles, was mit ihnen in Berührung kommt, gilt als veredelt.

„Die gute Landkräuterküche“ strotzt schon im Titel vor lauter ermunternden Begriffen, am liebsten würde man einzeln ins Land zu den Kräutern und in die Küche reisen. Vor allem wenn das alles von Alexia Zöggeler betreut wird, die sich augenzwinkernd Kräuterpädagogin nennt, die stets von einer Riesenschar an Kräutern umgeben ist.

Geologen sind seltsamerweise die idealen Verbündeten, wenn es um das sorgfältige Darstellen von seelischen Verwerfungen geht. Mit der gleichen Zuneigung, mit der sie sich um die Morphologie von „Mutter Erde“ kümmern, lassen sie sich fallweise auch auf die Vorgänge von Erinnerung, Zeitgeschichte, Reisen und Lebensausblick ein.

Peter Steiner schickt seinen Ich-Erzähler 1981 zu einem Geologen-Kongress nach Irkutsk. Das Reisetagebuch ist die Engstelle einer biologischen Sanduhr, bei der es ein Vorher und ein Nachher gibt.

Vorurteile, Halbwahrheiten und falsche Bilder im Umgang zwischen Türken und Deutschen lassen sich in einer Welt voller politischer Correctness nur schwer darstellen. Spätestens seit sich eine türkische Majestät von einem deutschen Satiriker so beleidigt fühlt, dass dieser vor Gericht muss, überlegt man es sich als Schriftsteller dreimal, was man schreiben darf und was nicht.

Selim Özdogan stellt diesen oft unterschiedlichen Zugang zum Alltagsleben in beiden Kulturen in Frage. „Wieso Heimat, ich wohne doch zur Miete“ bringt es schon als Formulierung auf den Punkt, Heimat, Kultur, Identität sind immer auch Geschäftsangelegenheiten. Wenn du wo dazu gehören willst, musst du Miete zahlen. Diese seltsamen Fragestellungen sind überhaupt der Kniff, um Tabus und ähnliche Sperrriegel zu umschiffen.

Kampfschriften, Aufrufe und Epochen-Essays lösen im Idealfall viel mehr aus, als es dem meist schmalen Text auf den ersten Blick zugemutet wird. Eine Auseinandersetzung mit diesen „Text-Preziosen“ ist immer auch eine Überlegung darüber, wem so ein Diskurs nützen könnte.

Bernd Schuchter vom Limbus Verlag hat den Text aus dem Jahre 1574 in seiner romantischen Übersetzung von 1821 vielleicht aus drei Gründen ausgewählt und aufbereitet. Einmal um zu zeigen, dass es pro Epoche nur eine Meinungshoheit gibt. La Boétie wäre nie bekannt geworden, hätte sich nicht Montaigne um ihn gekümmert und sich auch seinen Text unter den Nagel gerissen. So ist die „Knechtschaft“ erst nach dem Tod des Autors als Zuliefertext für Montaigne gedruckt worden.