Sepp Kahn, Ein Bauer auf Kur

Manche Berufsgruppen eignen sich aus politischen, religiösen oder patriotischen Gründen ganz besonders für die Hervorbringung von Helden. So hat der Arbeiter so lange den Helden gemimt, bis es keine Arbeit mehr gegeben hat, und der Bauer, gefeiertes Liebkind aus dem Ständestaat, ringt schon seit Jahrzehnten mit dem heldischen Abgang vom Hof.

Sepp Kahn kümmert sich stets in satirischer Form um dieses Bauernbild, das ihm an manchen Tagen unter der Hand zusammen-kugelt, noch ehe er es fertig entworfen hat. Unermüdlich wird von einer Welt erzählt, worin die Protagonisten sich zuerst in einem Klischee zeigen, dann aber sich selbst durch Bauernschläue retten und dem Publikum zeigen, dass sie noch Herr der Lage sind.

„Ein Bauer auf Kur“ versammelt in einem Kurtagebuch die festgeschriebenen Programme und Irritationen eines Kuraufenthaltes. Der Ich-Erzähler und seine Frau packen die Sachen für die Kur zusammen und spielen mit dem Selbstbewusstsein.

Eigentlich ist ein Kuraufenthalt etwas für degenerierte Städter und nicht für gesunde Alm-Heroen, die ein Leben lang in der Natur auf Kur gewesen sind. Aber erstens empfiehlt der Arzt eine Kur und zweitens soll das Geld, das man in die Krankenkasse eingezahlt hat, auch einmal einem selbst zugutekommen.

So ergeben sich jede Menge Erlebnisse über Therapien, Sport, Anmache, Kurschatten und Verbal-Erotik. Das Ausgefranste dieser Begebenheiten liegt letztlich immer darin, dass die Kur-Vorstellungen nichts mit den Kur-Anwendungen zu tun haben. Den Kur-tisanen und anderen Erotik-Trägern geht es wie den Bauern, sie haben ein altes Vokabular und müssen schlitz-ohrig sein, um dennoch mit der modernen Welt in Berührung zu kommen.

Im zweiten Hauptblock ist der „Bauer daheim“, er hat ordentlich die Wechseljahre und spinnt. Für eine Seniorentruppe hilft er beim Essen-Zustellen und zwischendurch kommt das Kind aus ihm heraus und er will eine Mama, ganz egal wie alt sie ist.

Der Bauer ist wohl generell in seiner letzten Jahreszeit angekommen, mal muss er die Krampfadern tunen lassen, dann bringt er seine geplante Krankheit beim Arzt nicht durch, weil dieser selber die Krankheit bestimmen will. Alte Bäume gehen ein, die Natur wird immer spinnerter, und wenn ein Enkelkind Fragen stellt, passiert es immer öfter, dass man keine Antwort mehr weiß.

Sepp Kahn erzählt verschmitzt, handelt die Klischees süffisant ab und zeigt, dass es ruhig deppert zugehen kann in der Bauernwelt, wenn man sich etwas Narrenfreiheit behält.

Sepp Kahn, Ein Bauer auf Kur und andere Kurzgeschichten
Wattens: Berenkamp Verlag 2014, 110 Seiten, 16,50 €, ISBN 978-3-85093-328-5

 

Weiterführend Links:
Berenkamp Verlag: Sepp Kahn, Ein Bauer auf Kur und andere Kurzgeschichten
Wikipedia: Sepp Kahn

 

Helmuth Schönauer, 26-05-2016

Bibliographie

AutorIn

Sepp Kahn

Buchtitel

Ein Bauer auf Kur und andere Kurzgeschichten

Erscheinungsort

Wattens

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Berenkamp Verlag

Seitenzahl

110

Preis in EUR

16,50

ISBN

978-3-85093-328-5

Kurzbiographie AutorIn

Sepp Kahn, geb. 1952 in Hopfgarten, ist Bauer und Autor in Itter.