Antonio Fian, Schwimmunterricht

Lässt sich ein Dramolett mit einem Omelett vergleichen? - Im Prinzip ja, denn auch im Dramolett werden die typischen Phrasen wie Eier zerschlagen und aufgebraten, bis das latente  Braun Österreichs sichtbar wird.

Antonio Fian hat die Form des alltäglichen Smalltalk-Kalauers zur subtilen Dramoletten-Kunst weiter entwickelt. Jeder Satz kann ein Schas-Zitat sein oder die höchste philosophische Erkenntnis, zu der österreichische Heldinnen und Helden fähig sind, wenn sie die Kronen-Lektüre beendet haben.

Für Dramatik ist in jeder Szene gesorgt, denn als Leser zittert man mit den Figuren mit, ob sie dieses Mal noch die Kurve kriegen oder mitten im Dramolett absaufen. Nicht umsonst spielen Feiertags-Inszenierungen  meist an einem leeren Steg am Wörthersee, wo sich still gelegte Security-Mitarbeiter den Weltverdruss und Weltschmerz von der Seele jaulen wie zu kurz gekommene Party-Tiger.

Viel Scheiß wird auch in der Nähe von Regierungsmitgliedern oder gar von diesen selbst geredet, er fällt erst erst spät semantisch ins Gewicht, weil er von vielen leeren Worthülsen zugedeckt ist.

Und die Parade-Bühne für österreichischen Wahnsinn bietet immer das kleinkarierte Milieu zu Hause rund um den Gugelhupf, wenn die Menschen an den zu trocken geratenen Kuchenstücken würgen, die sie für Weltanschauung halten.

Gerade am Muttertag kommt es zu herzzerreißenden Szenen, wenn die Nachfahren das Wort Mütterlein nicht aussprechen können und so der Geehrten das Herz abdrücken mit verhunzten Liebkosungen. „Schwimmunterricht“ versammelt die Dramolette der Jahre 2010 bis 2015. Bereits das kleine Stück Vergangenheit, das sie hinter sich gebracht haben, macht aus den Highlights der Alltagschronik formidable Stücke über den Zustand der Gesellschaft.

Längst abgetretene Figuren in der Politik hinterlassen jenen Duft, der gerne in überfüllten Lift-Kabinen entsteht und für den beim Aussteigen dann niemand zuständig gewesen sein will.

Große Tagesaufregungen haben sich zu netten Tagesausflügen in das Reich des Nonsens entwickelt, schwere Brocken haben das Land überrollt und sich durch keine Parole bremsen lassen.

Manchmal schwillt ein Dramulett an wie der aufgeregte Goder eines Kampfhahnes, losgelassen wird eine seitenlange Versöhnungsrede bei der am Schluss niemand weiß, wer mit wem hätte versöhnt werden sollen.

Ein besonders inniges Kollegenverhältnis besteht offensichtlich zu Norbert Gstrein, sobald dieser Autor einen neuen Roman abliefert, gibt es einen wunderbaren Senf Antonio Fians dazu. „Der neue Gstrein“ (118) wird immer für das Nonplusultra des Zeitgeists gehalten, der Zeitgeist bricht freilich wortlos zusammen, sobald ihn Antonio Fian zu filetieren beginnt. Wenn dann am Schluss noch der österreichische „Wortwart“ auftaucht und die Sprache nach Kriterien des Ständestaates durchkämmt, wird es plötzlich eisig.

Antonio Fians „Schwimmunterricht“ durchpflügt das schwammige Bewusstsein der Österreichischen Gesellschaft mit kraftvollen Tempi.

Antonio Fian, Schwimmunterricht. Dramolette VI
Graz: Droschl 2016, 156 Seiten, 19,00 €, ISBN 978-3-85420-977-5

 

Weiterführenden Links:
Droschl Verlag: Antonio Fian, Schwimmunterricht
Wikipedia: Antonio Fian

 

Helmuth Schönauer, 01-02-2016

Bibliographie

AutorIn

Antonio Fian

Buchtitel

Schwimmunterricht

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Droschl Verlag

Reihe

Dramolette VI

Seitenzahl

156

Preis in EUR

19,00

ISBN

978-3-85420-977-5

Kurzbiographie AutorIn

Antonio Fian, geb. 1956 in Klagenfurt, lebt in Wien.