Elisabeth R. Hager, Kometen

Das Leben gleicht in seiner physikalischen Unermesslichkeit tatsächlich einem Kometen, der einer geheimen Flugbahn folgend jäh am Firmament aufleuchtet und als helles Gas-Gebilde verschwindet.

Elisabeth R. Hager nimmt dieses kometenhafte Aufblitzen und Verschwinden zum Anlass, um ihre Heldin zum Leuchten zu bringen, ehe sie verglüht. Klara Bergerer, die rundherum Bubi genannt wird, erwischt in Berlin eine Droge, die sie aus den Socken wirft. Ein gewisser Hans hat ihr das Zeug eingeflößt und Bubi erfährt daraufhin einen Filmriss, in der Literatur wunderschön dargestellt mit jeweils ein paar leeren Seiten.

So halbwegs bei Bewusstsein beschließt Bubi, der eigenen Umlaufbahn um sich selbst auf die Spur zu gehen. Was wie ein Junkie-Roman begonnen hat entwickelt sich als ironischer Heimatroman erster Güte. Bubi stammt nämlich aus Tirol und trampt mit verrückten LKW-Drivern nach Hause zur Mutter, wo sie wieder einmal Klara genannt wird.

Zuhause am Klo stellt sich heraus, dass Bubi schwanger ist. Aus der Überlegung heraus, wer der Vater des Kindes sein könnte, kommt die Heldin drauf, dass sie ihren eigenen Vater ja auch nicht kennt. Mithilfe einer esoterischen Wahrsagerin, die sich als Schulkollegin der Mutter entpuppt, wird ein Foto des verschollenen Vaters rekonstruiert, es zeigt eine schwimmende Figur, die in Rom lebt.

Nach einer kurzen Besinnung auf der Alm der Kindheit, die in einem kometenhaften Koma endet, fährt Bubi nach Rom, wo sie ihren Vater findet. Aber diese Aufklärung der alten Familiengeschichte bewahrt niemanden vor der Zukunft, die sich als digitale Darstellung von Nullen und Einsen erweist. Entweder ist die Lebensdroge so stark, dass sie einen in den Kosmos schleudert, oder das Leben ist wirklich nur ein Komet, der im Dunkeln verglüht.

Elisabeth R. Hager erzählt eine Geschichte voller Realismus und Wahrscheinlichkeit mit den Mitteln der Transzendenz und der Hyper-Fiktion. Dabei wimmelt es nur so von gut gemeinten Ratschlägen und plausiblen Sätzen. „Körper, mit denen man nicht schlafen will, stinken automatisch“, (144) heißt so eine Lebenserfahrung.

Je genauer Orte wie Berlin, St. Johann, Innsbruck oder Rom beschrieben sind, umso größer ist für den Leser die Wahrscheinlichkeit, in die Fiktion katapultiert zu werden. Unter dem Literatur-ernsten Thema der Vatersuche und der zufälligen Schwangerschaft entwickelt Elisabeth R. Hager ein Bündel ironischer Genres, worin der Aussteiger-Roman genau so pervertiert wird wie dieser Heimatroman, wo Bubi als Heidi verkleidet die Tiroler Augen verdreht. – Eine fröhliche Angelegenheit.

Elisabeth R. Hager, Kometen. Roman.
Wien: Milena 2012, 183 Seiten, EUR 19,90, ISBN 978-3-85286-220-0.

Weiterführender Link:
Milena-Verlag: Elisabeth R. Hager, Kometen

 

Helmuth Schönauer, 05-06-2012

Bibliographie

AutorIn

Elisabeth R. Hager

Buchtitel

Kometen

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Milena-Verlag

Seitenzahl

183

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-85286-220-0

Kurzbiographie AutorIn

Elisabeth R. Hager, geb. 1981 in St. Johann / Tirol, lebt in Berlin.