Florian Gantner, Sternschnuppen der Menschheit

Im Jahrhundertbestseller „Sternstunden der Menschheit“ von Stefan Zweig geht es um vierzehn historische Höhepunkte, welche angeblich die Menschheit verändert haben sollen.

Florian Gantner nimmt diese hehre Vorlage zum Anlass, um über die Menschheit etwas ganz Irdisches, Gewöhnliches und Unscheinbares zu erzählen. In einer Rahmensituation packt ein schwadronierender Naturwissenschaftler seine ungelegten Erzähl-Eier aus, um einer Frau zu imponieren. Dabei erfindet er eine kosmische Konstellation, in deren Sternschnuppen sich die trivialsten Geschehnisse entwickeln.

In einer Art Präambel wird darauf hingewiesen, dass man die Sternschnuppe physikalisch gesehen auch als heiße Luft bezeichnen könnte, und heiße Luft hält allemal das Schicksal der etwa hundertfünfzig Figuren zusammen, die im Roman ihrem Schicksal entgegen wummern.

Wie im echten Leben werden die einzelnen Figuren in unterschiedlicher Bedeutung gewürdigt, manch einer kriegt einen Halbsatz, wenn es ihm beim Raketenzünden zu Sylvester die halbe Hand weg sprengt, ein anderer kriegt einen Seitenscheitel (35) und ein dritter eine Ablehnung an der Akademie der Bildenden Künste (46), was dieser aber als großes Ding deutet, immerhin hat schon einmal ein in Wien abgelehnter Maler Weltgeschichte geschrieben.

Im Personenregister am Ende des Romans sind diese Figuren wie auf einer großen Sterbetafel aufgezeichnet, alphabetisch geordnet und mit einem gleich großen Schicksal einer Seitenzahl versehen.

So beiläufig erinnert sich jemand an einen Präsenzdiener, der sich vor drei Jahren bei einem Besuch zu Hause am Dachboden das Leben genommen hat.

„Zwischendurch erlischt auch ein hell leuchtender Stern. Still und unauffällig.“ (53)

Manchmal besteht der Höhepunkt einer Figur darin, dass es rund um sie keine Wetteränderung gibt. Da ist ein anderer schon froh, wenn er in der Josefstädter Straße in ein gigantisches Hundstrümmerl steigt, und höchste Freude kommt auf, wenn jemand im Schneidersitz vor der Karlskirche in einem Buch aus der Städtischen Bücherei lesen darf.

Erst die Zusammenballung dieser versprengten Alltäglichkeiten gibt dem ganzen Roman einen höheren Sinn. Dabei sind es gerade die unauffälligen Lebensformeln, die einen ganzen Tag zu einer Sternstunde machen können:

Sobald es drei Leute gut finden, musst du es vernichten! (68)
Die Ruhezeit der original Wiener Punschtorte beträgt zwei Tage. (85)

Florian Gantner streut ungezählte Sternschnuppen der Kleinkunst über dem Firmament des Erzählens aus. Hinter jedem einzelnen Schicksal könnte so jemand wie wir Leser stecken. Die Menschheit ist tatsächlich in manchen Nächten hell erleuchtet von sich selbst, freilich ist letztlich alles schnuppe. – Ein beruhigender Kleinschicksal-Roman!

Florian Gantner, Sternschnuppen der Menschheit. Roman.
Innsbruck: Edition Laurin 2012. 138 Seiten. EUR 17,90. ISBN 978-3-902866-01-1.

 

Weiterführende Links:
Edition Laurin: Florian Gantner, Sternschnuppen der Menschheit
Homepage: Florian Gantner
 

Helmuth Schönauer, 02-05-2012

Bibliographie

AutorIn

Florian Gantner

Buchtitel

Sternschnuppen der Menschheit

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Edition Laurin

Seitenzahl

138

Preis in EUR

17,90

ISBN

978-3-902866-01-1

Kurzbiographie AutorIn

Florian Gantner, geb. 1980 in Salzburg, ist seit 2010 Lektor an der Universität Reading / GB.