Friederike Gösweiner, Traurige Freiheit

Das hat die Freiheit so an sich: Wenn man sich nach ihr sehnt, ist sie unendlich hell und freundlich, wenn sie da ist, wird sie manchmal dunkel und bissig.

Friederike Gösweiner konfrontiert in ihrem Roman die Heldin Hannah mit jener traurigen Freiheit, die sich oft einschleicht, wenn man das Leben mit Gewalt verändert. Hannah geht auf den dreißigsten Geburtstag zu, sie lebt mit Jakob in einer unaufgeregten Partnerschaft und segelt irgendwie geräuschlos durch den Alltag.

Da tut sich plötzlich die Chance auf, in Berlin ein Volontariat für Journalismus anzunehmen. Jakob ist nicht begeistert von dieser Idee, er möchte auch nicht nach Berlin mitgehen, wiewohl er als Arzt vielleicht eine Stelle bekäme. So macht sich Hannah fast trotzig auf den Weg nach Berlin und findet in der Wohnung einer Freundin Unterschlupf, die ihrerseits gerade in St. Petersburg jobbt.

Berlin ist an grauen Tagen grau und an nassen Tagen nass, die Arbeit als Journalistin ist durchaus interessant, leidet aber an der Perspektivlosigkeit, weil sie befristet ist. Wenn man nicht heimisch ist, macht einen auch die Arbeit nicht heimisch.

Als das Volontariat zu Ende ist, arbeitet die Heldin als Kellnerin. Einmal trifft sie einen interessanten Mann, der ihr die große Freiheit vorgaukelt, dann aber auf getrennte Rechnung besteht und sich in allen Belangen als Kleinkaliber erweist. Wenigstens seine Parole ist knackig:

Je härter die Zeiten, desto brutaler der Kampf. (77)

Höhepunkt dieses Herumhängens ist der dreißigste Geburtstag, an dem Hannah von ihren Eltern ein paar Geldscheine erhält, weil sie ohnehin verdienstunfähig ist, und von ihrem stillgelegten Liebhaber Jakob gibt es ein paar Erinnerungsfotos, die ziemlich zukunftslos wirken.

Mitten in der großen Freiheit Berlins kollabiert Hannah und wird ohnmächtig. Die Eltern holen sie aus der Klinik ab und das Abenteuer Berlin dürfte beendet sein.
Dieses Dahindriften der Heldin zwischen SMS, Coffee to Go, Gelegenheitsjob und Autosuggestion als Zeitvertreib entlarvt den großen Begriff der Freiheit. Ernüchtert stellt die Heldin fest, dass Freiheit auch ein riesiges schwarzes Loch sein kann, das sich plötzlich über einen stülpt.

In einer Gesellschaft, in der ganze Generationen von der Teilhabe am Sinn ausgeschlossen und an den Rand gedrängt werden, purzeln auch die Protagonisten der Reihe nach ins Nichts. Vor allem behütete und voll pädagogisierte Individuen kippen manchmal in die Ohnmacht, wenn niemand mehr ihre genialen Züge würdigt, weil sie irgendwann dann doch aus der Kindheit verstoßen werden. – Eine beklemmende Analyse sinn-prekärer Lebensverhältnisse.

Friederike Gösweiner, Traurige Freiheit. Roman
Graz: Droschl 2016, 143 Seiten, 18,00 €, ISBN 978-3-85420-976-8

 

Weiterführende Links:
Droschl Verlag: Friederike Gösweiner, Traurige Freiheit
Wikipedia: Friederike Gösweiner

 

Helmuth Schönauer, 10-02-2016

Bibliographie

AutorIn

Friederike Gösweiner

Buchtitel

Traurige Freiheit

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Droschl Verlag

Seitenzahl

143

Preis in EUR

18,00

ISBN

978-3-85420-976-8

Kurzbiographie AutorIn

Friederike Gösweiner, geb. 1980 in Rum, lebt in Innsbruck.